Porsche 911 Turbo „Gruppe B“

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Ein Auto für die Fans des klassischen Turbohammers soll das Projekt „Gruppe B“ sein, kein 964 im Retrolook des F-Modells mit allem Komfort, kein Outlaw-Elfer. Viel Nostalgie steckt drin, aber auch Kompromisslosigkeit und jede Menge Leistung. Rund 375 altmodische Turbo-PS sind ein Wort.
Porsche 911 Turbo Gruppe B Fahraufnahme
© Andreas Beyer

Eigentlich“, erzählt Matthias Nonn, „wollten wir ihn auseinandernehmen und die Teile verkaufen.“ Eigentlich – mit diesem Wörtchen beginnen viele schöne Geschichten, die im weiteren Verlauf eine ganz andere Wendung nehmen. Diese hier ist auch persönlich, weil die Idee, einen 911 Turbo im Renn-Trimm der achtziger Jahre auf die Räder zu stellen, von den Erfahrungen aus dieser Zeit mit dem Ur-Turbo befeuert wurde.

Es wäre leicht, den auf breiten, schwarzen Rädern tief am Boden kauernden Porsche 911 Turbo Gruppe B für ein offensiv geflügeltes Projekt der Outlaw-Szene zu halten, aber hier stimmt alles. „Die OZ-Felgen gab es damals auch“, erklärt Matthias Nonn und gibt zu, dass ein, zwei Details historisch nicht korrekt seien. „Die gelben Streuscheiben sehen einfach nur toll aus, aber für die Zulassung kommen sie wieder runter.“ Okay, und elektrische Fensterheber hatten sie damals in der Gruppe B auch nicht.

Porsche 911 Turbo Gruppe B
© Andreas Beyer

Diese ist Vorbild für den Umbau. Vor fast 40 Jahren etabliert, fällt heute den wenigsten zum Stichwort „Gruppe B“ die Rundstrecke ein; im Allgemeinen steht Gruppe B für den Höhepunkt des Wettrüstens im Rallye-Sport mit Allradantrieb, wahnwitzigen PS-Zahlen und Formel-1-Technik unter Seriennähe simulierenden Kunststoffhüllen.

RUNDSTRECKE, NICHT RALLYE

1982 war das neue Reglement mit seiner neuen Einteilung nach Gruppen eingeführt worden. Die Gruppe A war seriennahen Automobilen vorbehalten, die Gruppe B ließ bereits viele technische Freiheiten zu und in der Gruppe C der Sport-Prototypen fanden sich Autos wie der Porsche 956, auf den das Werk in der Folge sein ganzes Augenmerk richtete. Die bis dahin so erfolgreichen 934 und 935 verschwanden aus den Starterlisten, verdrängt vom 956, während die Gruppe B für Privatfahrer und Rennteams interessant blieb, die mit kleineren Budgets in der Sportwagen-Weltmeisterschaft oder bei Langstreckenrennen wie den 24-h-Rennen von Le Mans mit dem 911 Turbo an den Start gehen wollten.

Für diese Kunden führte Porsche ein maßgeschneidertes Gruppe-B-Werks-Kit im Programm. Mit einer höheren Verdichtung, geänderten Nockenwellen und mehr Ladedruck leistete der 3,3-Liter-Turbomotor anfangs 365 PS. Zum 28.000 Mark teuren Paket gehörten außerdem ein größerer Ladeluft-und Ölkühler sowie breitere Räder und Reifen.

Porsche 911 Turbo Gruppe B
© Andreas Beyer

GRUPPE-B-KIT MIT 365 PS

Erfolge blieben nicht aus. Georg Memminger, Fritz Müller und Heinrich Kuhn-Weiss holten 1982 mit einem 930 im Gruppe-B-Trimm die notwendigen Punkte, die Porsche die Sportwagen-Weltmeisterschaft sicherten. Als Basis diente dem Team Georg Memmingers alter, ausgebrannter 911 Turbo. Anfangs kam ein nach Werksspezifikation aufgebauter, 370 PS starker Motor zum Einsatz, im Jahr darauf ein 450 PS starkes RUF-Triebwerk. 1983 ging das Team aus Bayern in Le Mans an den Start, am Ende standen ein 13. Platz im Gesamtklassement und der 2. Platz in der Gruppe B zu Buche.

Das Werk horchte auf. Mit dem Rennsport-Ingenieur Roland Kussmaul stellte Porsche dem Team nach den Erfolgen im ersten Jahr einen erfahrenen Experten zur Seite, um das Fahrzeug weiterzuentwickeln. 1982 war der Memminger-Müllerbräu-Turbo noch der einzige Gruppe-B-Porsche, schon 1983 tauchten weitere 911 Turbo auf, die sich spannende Rennen mit den BMW M1 lieferten.

Mehr Leistung für die Straße gab es bei Porsche als reguläres Extra erst ab 1983, das „Sonderwunsch“-Programm machte es möglich. Die ab 1987 verfügbare Werksleistungssteigerung (WLS) für den 911 Turbo war ein teurer Spaß: Zehn Prozent mehr Leistung kosteten 23.585 Mark. Das „Sportkit“ hob unter Verwendung eines größeren KKK-Turboladers und Ladeluftkühlers sowie einer geänderten Abgasanlage mit links- und rechtsseitig herausgeführten Doppel-Endrohren die Leistung des 930-Motors von 300 auf 330 PS bei 5750/min an. Mit Serienkarosserie erreichte ein mit Sportkit aufgerüsteter 930 immerhin eine Spitze von 270 km/h und beschleunigte in 5,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Erfahrungen mit leistungsgesteigerten 930 und Rennsport hatten die Brüder Matthias und Stefan Nonn sowohl als auch gesammelt. Das Erste, was Stefan Nonn nach dem Kauf seines gebrauchten 911 Turbo seinerzeit in Angriff nahm, war die Revision des Motors inklusive in Eigenarbeit nachgereichter Werksleistungssteigerung.

Mehr als 30 Jahre später, vor dem als Summe seiner Teile gedachten 911 Turbo von 1980 stehend, kamen die Erinnerungen an damals hoch. „Als wir feststellten, wie gut der Zustand des Wagens war, hatten wir die Idee, einen Turbo im Stil der Gruppe B aufzubauen“, schildert Stefan Nonn. Zum Spaß und als Anschauungsobjekt – denn eigentlich leiten die Brüder zwei MAN-Werkstätten in Nordhessen, das Porsche-Projekt ihrer Turbogarage in Fritzlar lief nebenbei als Kür.

Porsche 911 Turbo Gruppe B Fahrer
© Andreas Beyer

ERINNERUNG AN ALTE ZEITEN - der Porsche 911 Turbo Gruppe B

„Der Wagen hatte weder Schäden noch Rost, das war der Auslöser. Die Karosserie wurde nur geschliffen, grundiert und lackiert. Die Öffnung des Schiebedachs haben wir geschlossen und einen Heigo-Käfig eingebaut, der Steifigkeit und Sicherheit wegen. Und weil wir den Wagen ja im Renn-Trimm aufbauen wollten, war von vornherein klar, dass wir weder Rücksitzanlage noch Teppiche brauchen würden“, so Matthias Nonn weiter.

Beim Aufbau des Motors orientierte sich das Team an den Vorgaben von früher. Mit größerem Turbolader vom Typ K27, Ladeluftkühler sowie überarbeiteten Zylinderköpfen und modifiziertem Ventiltrieb – seinerzeit wurden Nockenwellen vom SC verbaut, heute empfehlen sich solche vom 964, die den Motor im oberen Drehzahlbereich freier laufen lassen – kommt der 3,3-Liter-Boxer auf rund 375 PS Leistung. Im kantigen Frontspoiler sitzt ein Zusatzölkühler, „und natürlich haben wir auch die gesamte Peripherie des Motors, Einspritzanlage, Ansaugsystem, Bypassventil, überholt und erneuert, die Verdichtung ist aber serienmäßig geblieben. Schließlich soll das Ganze ja auch halten.“
Die Auspuffanlage mit je zwei links und rechts unter der Stoßstange herausragenden Endrohren war und ist das Erkennungszeichen leistungsgesteigerter 911 Turbo. Zwar konnte Stefan Nonn vor einigen Jahren noch eine originale Anlage des Herstellers Bischoff auftreiben, allerdings ist im Porsche 911 Turbo Gruppe B ein Auspuff des US-amerikanischen Anbieters FAB Speed verbaut, der mit geänderten Krümmern und kürzeren Wegen arbeitet.

Porsche 911 Turbo Gruppe B Motor
© Andreas Beyer

SCHNELL OHNE VIEL DRAMA

„Das Fahrwerk, Radlager, Gummiteile, Stabilisatoren, haben wir komplett erneuert, heute stecken Bilstein-Komponenten mit verstärkten vorderen Federbeinen drin“, führt Matthias Nonn aus. So gut wie neu? In vielen Punkten trifft das zu – erst während der Probe- und Testfahrt beim Vorbeifahren an der Kamera knackt der Gruppe-B-Turbo die 500-Kilometer-Marke. Auch der Tacho wurde genullt!

Es gehört sich, einem Ur-Turbo mit Respekt zu begegnen. Wie verhält es sich da erst mit einem 911 Turbo 3.3, der nach alter Vorlage und modernsten Methoden in ein Rennauto des Jahres 1982 verwandelt wurde und dessen ausgeprägt digitales Wesen durch 375 PS befeuert wird? Die überraschende Antwort lautet, dass das ganz große Drama ausbleibt: Der Gruppe-B-Turbo ist problemlos fahrbar und längst nicht so hart und rau wie erwartet. Erster Eindruck: Er ist lauter als das Serienauto. Der Verzicht auf Dämm-Material und Teppiche lässt die Fahrgeräusche, das Klackern von Splitt und Steinchen in den Radhäusern und das Abrollen der Reifen, ungefiltert nach innen dringen, hinzu kommt die bassige Note des Auspuffs. Anstrengend ist das nicht, aber natürlich geht der Rennsportversion der Komfort des Serienfahrzeugs ab.

Porsche 911 Turbo Gruppe B Innenraum
© Andreas Beyer

Gleiches gilt für das Fahrwerk, das betont sportlich, aber nicht überbetont trocken und ruppig ist. Kuppeln, schalten … Das alles gelingt ohne Kraftanstrengung. Die Schaltwegverkürzung fällt positiv auf, dann die geschmeidige Kupplung. Matthias Nonn: „Wir haben Getriebe und Sperrdifferenzial überholt und eine leichte Sportkupplung und das passende Schwungrad verbaut.“ Tatsächlich dreht der Gruppe-B-Boxer leichter und lebendiger nach oben als sein mit 300 PS deutlich schwächeres Ausgangsprodukt, baut schneller Druck auf und lässt das Turboloch etwas weniger tief erscheinen. Es stellt sich eine Ahnung ein, wie gut dosierbar und schnell der Gruppe-B-Turbo auf der Rennstrecke gewesen sein muss. Dabei ist die Bremse hier völlig serienmäßig. „Früher haben wir für verbesserte Bremswerte auch 928-Sättel verbaut, aber die braucht es heute nicht mehr.“

Was ist er nun, der 911 Turbo im Renn-Trimm der Gruppe B? Ein Rennauto mit Straßenzulassung und H-Kennzeichen, ein zu Höchstleistung frisierter Ur-Turbo? Eher Ersteres, und im Moment auch noch ein Einzelstück. Und in jedem Fall ein Auto für Fans, die das Ausgangsprodukt 911 Turbo erlebt und verinnerlicht haben und bereit sind für die nächste Eskalationsstufe. „So ein Auto kauft keiner mit 30, das ist ein Wagen für Leute, die mit der Faszination des Ur-Turbo groß geworden sind“, urteilt Stefan Nonn. „Eigentlich für Typen wie uns.“


Diesen Artikel finden Sie in Ausgabe 6-2020.

Porsche 911 Turbo Gruppe B
© Andreas Beyer
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