Porsche 911 GTS Typ 992

Mehr Sport als Gran Turismo

Teilen
Porsche legt den aktuellen 911 in der sportlichen Variante GTS neu auf. Generation 4 kommt im Jahr 12 nach der Erstauflage des GTS. Wo und wie ordnet sich die neue Sport-Version in die bereits umfangreiche Modellwelt der Reihe ein?
Porsche 911 GTS Rennstrecke
© Porsche AG

Es gibt ja schon den 911 Carrera S, und an der Spitze wartet der 911 GT3 in Touring-Version auf Käufer. Nicht zu vergessen: der 911 Turbo, bei dem es Leistung und Luxus im Überfluss gibt. Die Frage, wo da noch Platz für einen GTS bleibt, ist nicht neu, aber gerechtfertigt.
Vielleicht ist es ja gerade der Umstand, dass er nicht in Extremen auftritt, der ihm Platz verschafft. Der GT3 Touring lockt mit für die Straße domestizierter Renntechnik und einem Sauger mit extremem Hochdrehzahltalent, der Turbo mit überschäumendem Vorwärtsdrang und bis zu 650 PS. Und der Carrera S ist ein leistungsstarker Basis-Elfer und damit eigent- lich immer die richtige Wahl.
Dabei ist der GTS kein Aufkleber-Fahrzeug, also ein Wagen, bei dem eine etwas flotte Optik den Mehrwert vortäuscht, folglich nicht einfach nur ein Carrera S mit mehr Buchstaben. Ja, Porsche bedient sich natürlich aus dem Regal vorhandener Elemente - doch in der Zusammenstellung gibt es sie so nur im GTS. Der Wagen bildet dabei so etwas wie eine Schnittstelle zwischen Carrera S und Turbo.

PORSCHE 911 GTS LIEFERT MEHRWERT

© Porsche AG

Vereinfacht gesagt stammen die Gene von Motor und Getriebe aus dem Carrera S, Fahrwerk und Bremsanlage sind stark mit dem Turbo verwandt, teilweise sogar identisch. Übereinstimmend ist etwa die Auslegung der Bremsanlage, die stellt der Turbo. Das gilt im Grundsatz auch für das Fahrwerk. Anders als seine schwächeren Brüder hat der GTS etwa an der Hinterachse eine besondere Federkonstruktion, wie sie auch der Turbo besitzt. Eine schwächere Zusatzfeder (von Porsche „Helperfeder“ genannt) sorgt dafür, dass die Hauptfeder immer unter Spannung steht, auch wenn sie stark ausfedert.
Der Motor ist eine leistungsgesteigerte Variante der Maschine aus dem Carrera S. Sie wirkt, das zeigt auch ein Blick auf die technischen Daten, kräftiger, vom Charakter aber nicht anders. Der Motor leistet 480 PS bei 6500/min, zwischen 2300 und 5000/min liegen 570 Nm an. Das sind 30 PS und 40 Nm mehr als beim Carrera S, jeweils bei identischen Drehzahlbereichen. Beide Motoren dürfen maximal 7500/min drehen.
Um innen einen sportlicheren Sound zu erhalten, wurde beim GTS auf einen Teil der Geräuschdämmung verzichtet, zudem ist der Sportauspuff Serie. Mit einem Basisgewicht von 1510 Kilogramm (DIN-Norm, mit Schaltgetriebe) ist der GTS 30 kg schwerer als ein Carrera S. Ein großer Teil davon dürfte auf die größere Bremse zurückzuführen sein. Aber das Gewicht lässt sich wieder einsparen, wenn für 8401 Euro das Leichtbaupaket geordert wird. Es umfasst Vollschalensitze, Leichtbauverglasung und Leichtbaubatterie, eine andere Unterbodenverkleidung, die den Auftrieb an der Vorderachse verringert, und Hinterachslenkung. Die hinteren Sitze entfallen, ebenso wird noch einmal etwas an der Geräuschdämmung gespart.
Der Carrera GTS ist durchaus auch ein Angebot für kühle Rechner. Er bietet eine Ausstattung, die es für den Carrera S gar nicht (Turbo-Bremse, 480-PS-Motor, Fahrwerk) oder nur gegen Aufpreis gibt. Räder, Sportsitze plus, Sportfahrwerk (10 mm tiefer, aber nicht vom Turbo), Sportauspuff, Sportdesign-Paket, Scheinwerfer, GT-Lenkrad und Sport-Chrono-Paket treiben den Preis eines Carrera S Coupé um über 14.500 Euro nach oben, sodass der Preis von 123.607 auf über 138.000 Euro klettert.

LEICHTBAU KOSTET AUFPREIS

Da bleibt zum Carrera GTS Coupé mit 140.981 Euro keine sehr große Differenz für die Mehrleistung und die für den Wagen fast schon überdimensionierte Turbo-Bremse sowie die exklusive Race-Tex-Innenausstattung, die Anleihen beim GT3 nimmt. Porsche bietet den Carrera GTS in allen Varianten an, die es auch für den Carrera S gibt. Beim GTS Targa kommt allerdings das Fahrwerk des Carrera S zum Einsatz.
Also eine klare Angelegenheit, Zettel gezückt, nachgerechnet und bestellt? Nun, es gibt da schon noch einige Dinge, die vor einer Anschaffung geklärt werden sollten. Die erste Frage: Ist viel Schwarz in Ordnung? Die schwarzen Turbo-S-Räder kann man zwar gegen die vom Carrera S abwählen, aber mit den silbernen Carrera-S-Rädern wirkt der GTS nicht ideal bestückt. Porsche-Basisauskleidung in Race-Tex schwarz führt diese Linie fort. Der GTS besitzt viele Details im Exterieur, die ebenfalls schwarz sind. Optisch schlüssig bleibt er besonders dann, wenn man diesem Weg auf die dunkle Seite konsequent folgt.
Dann sollte man den Wagen auch vorher fahren, um zu prüfen, wie einem das Sportfahrwerk zusagt. Was der eine als sehr gelungenen Kompromiss zwischen Härte und Abrollkomfort empfindet, sagt dem anderen deutlich weniger zu. Wir tendieren übrigens dazu, uns der ersten Fraktion anzuschließen. Gerade diese etwas straffe Auslegung lässt den Wagen schon in Stellung „Normal“ schön agil auf der Straße liegen. Das begeistert einen schon nach wenigen Metern, und dieser Eindruck verfliegt auch nach einer längeren Fahrt nicht.

911 GTS Sitze
© Porsche AG

NUR DER 911 GTS TARGA NUTZT DAS FAHRWERK DES CARRERA S

Auch die reduzierte Geräuschdämmung trägt zum sportlichen Fahrgefühl bei, der Motor wirkt durchaus präsent, ohne störend laut zu sein. Die Geräuschdämmung wird übrigens schon in der Produktion angelegt. Falls ein Carrera-S-Fahrer nun denkt, er könne den Effekt mit einfachen Maßnahmen nachahmen, täuscht er sich. Alles verklebt und gut verbaut. Den puren GTS-Gedanken transportiert das Coupé mit Heckantrieb, es gab sich bei einer ersten Probefahrt auch besonders harmonisch.
Doch man kann auch wieder den Zettel mit Preisen und Zubehör herausholen und den Blick nach oben werfen: dann gleich einen 911 GT3 Touring? Der ist mit einem Einstiegspreis von 170.969 Euro zwar zunächst deutlich teurer. Rechnet man beim GTS jedoch Leichtbaupaket und PDCC dazu, übersteigt auch er die Grenze von 150.000 Euro.

Porsche hat den Dreiliter-Motor im GTS so abgestimmt, dass er an einen sehr potenten Sauger erinnert. Der echte Sauger im GT3 entwickelt seine Leistung von 510 PS bei 8400/ min und darf bis maximal 9000/min drehen. Das maximale Drehmoment von 470 Nm liegt bei 6100/min an. Hier kann der Motor im GTS punkten: Er liefert 100 Nm mehr an die Räder, und das über einen weiten Drehzahlbereich von 2300 bis 5000/min.
Längsdynamisch gesehen trennt die beiden Wagen dann auch nicht viel. Beide beschleunigen mit PDK in 3,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Tempo 200 erreicht der GTS nach 11,6 Sekunden, der Touring nach 10,8. Mit Schaltgetriebe ergibt sich ein ähnliches Bild ‒ GTS: 4,1/12,7 Sekunden, GT3 Touring: 3,9/11,9 Sekunden. Mit einer Spitze von 320 km/h (Schaltgetriebe) und 318 km/h (PDK) ist der Touring etwas schneller als der GTS, dessen Höchstgeschwindigkeit bei 311 km/h liegt, aber das spielt in der Praxis nur selten eine Rolle.
Vielleicht könnte der GTS sogar mithalten, wäre er nicht 100 Kilo schwerer - was auch die Qualitäten des Motors herausstreicht. Durch seine große Elastizität besitzt er im Alltag vor allem dann Vorteile gegenüber dem GT3 Touring, wenn das Siebengangschaltgetriebe mit dem für den GTS um 10 mm verkürzten Schalthebel verbaut ist.

© Porsche AG

AUSSTATTUNGSPAKET KÖNNTE GRÖSSER AUSFALLEN

Eine Runde mit Timo Bernhard um den Kurs des neuen PEC Franciacorta macht das deutlich. Hier reduziert der drehmomentstark anziehende Motor die notwendigen Schaltvorgänge deutlich, fährt sich flüssig und rund. „Und das klingt doch auch nicht schlecht“, sagt Bernhard, als er den Wagen auf der kurzen Gerade vor dem scharfen S vor der Start-Ziel-Geraden bis hinauf auf 7200/min drehen lässt.
Zum Thema Alltagsnutzen: Mit PDK ist als Option auch ein Remote Park Assist zu bekommen, der in Verbindung mit dem dafür notwendigen Komfortzugang 4432 Euro kostet. Und auch im GTS lässt sich Porsche Dinge wie einen Spurhalteassistenten mit Verkehrszeichenerkennung mit 1059 Euro extra bezahlen. Ein Abstandsregeltempomat kostet 1701 Euro. Da hätte das serienmäßige Ausstattungspaket des GTS durchaus noch etwas umfangreicher geschnürt werden können. Das Basisgewicht hätten diese Zugaben zumindest nicht spürbar erhöht.
Dabei lädt der GTS an anderer Stelle durchaus zum Verzicht ein. Klassisches Indischrot und knalliges Racinggelb gibt es ohne Aufpreis, Ziernähte in abweichender Farbe für 3094 Euro stehen sicher auch nicht unbedingt ganz oben auf der Wunschliste des Kunden, der dem klassischen GTS-Ideal huldigen, also ein schnelles Auto mit hohem Alltagsnutzen fahren möchte. Anders sieht es vielleicht mit der Aerokit-Option aus. 1654 Euro kostet der feststehende Heckflügel mit passendem Bugspoiler. Auch ein GTS hat beim Thema Sportlichkeit noch Luft nach oben.

Das Fazit zum Porsche 911 GTS

Mehr Sport für den Alltag - diese Rolle spielt der GTS erwartungsgemäß gut. Porsche schnürt ein attraktives Paket zu einem vertretbaren Mehrpreis gegenüber dem Carrera S. Ob aber vor allem das Sportfahrwerk in genussorientierten Varianten wie dem Cabrio glücklich macht, sollte gut hinterfragt sein.


Dieser Artikel ist erstmals in Ausgabe 1-2022 erschienen.

Bildergalerie
Ähnliche Artikel
Artikel teilen

Bitte wählen Sie eine Plattform, auf der Sie den Artikel teilen möchten:

Beitrag melden

    Ihr Name

    Ihre E-Mail-Adresse

    Bitte beschreiben Sie kurz, warum dieser Beitrag problematisch ist

    [honeypot company]


    xxx
    Newsletter-Anmeldung

    * Pflichtfeld

    ** Der HEEL Verlag erhebt Ihre Daten zum Zweck des kostenlosen E-Mail-Newsletters. Die Datenerhebung und Datenverarbeitung ist für die Durchführung des Newsletters und des Informationsservice erforderlich und beruht auf Artikel 6 Abs. 1 a) DSGVO. Zudem verwenden wir Ihre Angaben zur Werbung für eigene und HEEL-verwandte Produkte. Sie können sich jederzeit vom Newsletter abmelden. Falls Sie keine Werbung mehr auf dieser Grundlage erhalten wollen, können Sie jederzeit widersprechen. Weitere Infos zum Datenschutz: ds.heel-verlag.de