Porsche 911 Carrera 3.2 Clubsport Prototyp

Askese

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Er gehört zu den gesuchtesten Typen der langlebigen G-Serie und bietet doch weniger als alle anderen: der leichte, karge Clubsport-Elfer der ausgehenden achtziger Jahre. Mit dem radikal abgespeckten Musterauto F22 ging Porsche noch einen Schritt weiter.
Porsche 911 Carrera Clubsport Prototyp
© Roman Rätzke

Die schwarze Gummilippe des Spoilers ist in Wirklichkeit nur Lack auf GFK, Radio sowie Zeituhr, Rücksitze und selbst Kleiderhaken fehlen. Und als Ladekontrollleuchte muss ein kleines Birnchen oben links im Instrumententräger genügen, erkennbar improvisiert. Mit seinem leer geräumten Armaturenbrett, den drei Instr menten und zwei Fensterkurbeln sieht dieser Spar-Elfer wie die Neuinterpretation der günstigen Porsche-Einstiegsmodelle 356 Speedster und 912 aus. Dass er schlichtes Grandprixweiß trägt, passt zum Gesamtbild - in keiner anderen Farbe wirkt ein 911 der G-Serie klarer und reduzierter. Bei aller Entsagung, die diesem 911 Carrera 3.2 Clubsport zu eigen ist, und mit dem Wissen um seine Entstehung wirken schon die in Wagenfarbe lackierten Räder wie unnötiger Tand und leicht overdressed.

Wie viele andere Versuchsträger oder Prot typen jener Zeit trägt der erste, der reinste und konsequenteste aller Clubsport-Elfer eine prosaische Bezeichnung - „911 F22, Prototyp Sportpaket 2“. Ein Kosename wäre zu viel gewesen.
F22, dessen Fahrgestellnummer mit den Endziffern 848 ihn als herkömmlichen Elfer des Modelljahrs 1985 ausweist, entsteht als Fingerübung, als Testballon, ausgedacht von den Ingenieuren um Entwicklungschef Helmuth Bott. Eine Kleinserie wird erst später daraus.
Helmuth Bott plant ursprünglich ein spezielles Auto für einen besonderen Kunden: Michael Groß, den „Albatros“, Schwimmer und frisch gebackener Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles.
Obwohl 1984 gerade einmal 20 Jahre alt, ist Michael Groß bereits überzeugter Porsche-Fahrer. Seinen ersten 911 SC kaufte sich Groß 1983 noch zu Oberstufenzeiten, das Geld dafür hatte er sich größtenteils mit Autogrammstunden verdient und eisern gespart, wie er später dem Christophorus erzählt. Dann folgen ein roter 911 Carrera 3.2 und 1986 ein dunkelblauer Leichtbau-Elfer - dessen Vorlage der grandprixweiße CS des Versuchslabors Weissach ist. Weil er der Erste seiner Art ist, ziehen die Entwickler beim Prototyp F22 alle Register und nehmen keine Rücksicht auf die Kosten.

Porsche 911 Carrera Clubsport 3 2 Prototyp
© Roman Rätzke

KAROSSERIETEILE AUS ALU SIND DIE AUSNAHME

An der Silhouette des Serienautos wird nichts geändert, aber sie greifen tief in die Regale der Rennsportabteilung und tauschen Kotflügel, Türen und Kofferraumhaube gegen leichte Aluminiumteile aus, die noch von einem nicht realisierten schmalen 911 SC RS übrig sind. Und deren Herstellung auf den Serienwerk- zeugen viel zu viel Ausschuss erzeugt, sodass ein Einsatz in der Serie gar nicht vorgesehen ist. Aber für F22 sind sie genau das Richtige!

Hinzu kommen ein Heckdeckel mit integriertem Spoiler und Stoßstangen aus GFK sowie Dünnglasscheiben, die Heckscheibe immerhin mit einstufiger Heizung. Wie ein Symbol des unbedingten Willens zur Einfachheit steht auf der Fahrertür der simple, leichte Plastik-Außenspiegel des 924 - der Spiegel auf der Beifahrerseite wurde aus Gewichtsgründen natürlich eingespart, ebenso verhält es sich mit der Sonnenblende.
Und selbst wenn F22 wie die späteren Serienfahrzeuge auf den schwarzen Schriftzug auf der Motorhaube verzichtet und stattdessen den großen Clubsport-Aufkleber auf dem Kotflügel trägt, ist der Prototyp doch ein völlig anderes Auto. In ihm steckt eher zufällig jene Portion Rennsport, die im normalen 911 Clubsport ganz bewusst nur in Maßen zu finden sein wird.
Denn obwohl in der Erbfolge der schnellen, leichten Typen 911 Carrera RS 2.7 und RS 3.0 der siebziger Jahre stehend, ist der Carrera 3.2 Clubsport der Achtziger kein eigenständiges Modell. So wird es sich auch mit den späteren CS-Versionen der Frontmotor-Baureihen 928 und 968 verhalten. Im Gegensatz zum ehrgeizig und konsequent für den Rallye-Sport entwickelten und nur 20 Mal gebauten 911 SC RS sieht Porsche den einfacheren CS als Angebot für engagierte Amateure und Sportfahrer, als Auto für den Breitensport.
Als Ausstattungsoption unter dem Code M647 wird der Clubsport in den Mo- delljahren 1987 bis 1989 nur als Coupé angeboten. Der eine auf speziellen Sonderwunsch gebaute Clubsport Targa bleibt die Ausnahme von der Regel.

LEISTUNG BLEIBT UNVERÄNDERT

Porsche 911 Carrera Clubsport Prototyp Motor
© Roman Rätzke

An der Leistung ändert sich nichts, allerdings wird über hohle, leichte Einlassventile und eine modifizierte Motorsteuerung das Drehzahlniveau angehoben, von 6520 auf 6840/min (plus 320/min im Vergleich zur Großserie). Ein angepasster Drehzahlmesser, dessen nach hinten verschobener roter Bereich erst bei 6600/min beginnt, ist Ausdruck neuer Drehfreude. Auch eine Katalysator-Variante mit 217 PS findet sich im Programm, was zwar im Widerspruch zum sportlichen Gedanken steht, aber dem Stand der Technik entspricht.
Dennoch kostet die Clubsport-Version bei deutlich reduzierter Ausstattung exakt so viel wie ein serienmäßiger Carrera 3.2 - was ein Grund dafür sein kann, dass die Anzahl verkaufter Autos mit 190 Einheiten winzig bleibt. Nur einen Luxus gesteht Porsche dem Clubsport zu: Alle Serien- und Sonderfarben sind lieferbar.

Zwar gibt Porsche identische Werte bei Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung an, aber tatsächlich benötigt die leichtere CS-Version für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h nur 5,9 Sekunden, also 0,2 Sekunden weniger als der normale Elfer.

Die Fachpresse von Sport Auto und auto, motor + sport nimmt sich eher nüchtern und ergebnisorientiert der neuen 911-Spielart an. Schließlich ist der Clubsport kein neues Modell, sondern nur ein Elfer mit weniger Ausstattung. Auf der Nordschleife muss sich der leichte Sauger im direkten Vergleich mit dem altbekannten 911 Turbo und dem neuen 944 Turbo S messen. Dabei geht er mit einem Abstand von rund einer Sekunde auf den 911 Turbo und einen Hauch schneller als der 944 als Zweiter durchs Ziel. Dem ams-Tester Klaus Westrup fällt vor allem der enorme Lärmpegel des kaum gedämmten 911 Clubsport auf. Für großes Aufsehen sorgt die neue Elfer-Spielart nicht.

Seine Sonderrolle und Bedeutung für das neue Segment „Clubsport“ ist dem Erfinder des Genres nicht anzusehen. Vordergründig ist F22 ein Elfer mit kleiner Spoilerlippe vorn und Heckflügel. Nur Kenner identifizieren die speziell geformten Stoßstangen ohne Gummileisten als Kunststoff, erkennen die leichte Tieferlegung; 30 mm beträgt sie. Der Leichtbau ist eher zu hören und zu fühlen. Mit einem hellen metallischen Klicken springen die Türen auf, beim Zuschmeißen fallen fast die Scheiben raus, weil der bekannte Schwung für die leichten Aluteile viel zu groß ist. Auch der Kofferraumdeckel aus Leichtmetall und die GFK-Motorhaube tragen diesen zarten Schmelz des Leichtbaus.

Porsche 911 Carrera Clubsport Fahraufnahme
© Roman Rätzke

Dass der eckige 924-Außenspiegel von innen verstellbar ist und in den Türen Lautsprecher sitzen, wirkt auf einmal wie unerhörter Luxus. Immerhin fehlt der einzig verfügbaren Sonnenblende ja selbst der Spiegel. Wer würde sich da noch über eine eingesparte Mittelkonsole und offene Türkästen ohne Deckel beschweren? Die Liste an fehlenden Ausstattungsteilen, zusammengestrichen in Weissach, umfasst eineinhalb Seiten. Der Blick auf das leer geräumte Armaturenbrett mit Kombi-Instrument, Drehzahlmesser und Tachometer ist ungewohnt, aber eigentlich fehlt es ja an nichts. Die Heizungsregelung links und rechts der Handbremse erfolgt nach dem Prinzip eines alten Volkswagens, und die bequemen Sitze mit den viel Halt gebenden Rückenlehnen im Turbo-Stil sind eine ebenso praktikable wie angenehme Kombination.

WENIGER LAUTET DAS LEITMOTIV

Weniger ist das Leitmotiv des 911 Clubsport, bei F22 wird es auf die Spitze ge- trieben. Aber signifikant mehr Leistung hat er nicht, obwohl das Protokoll einen "Motor mit ausgesuchter Leistung" vermerkt. Leichter und flüssiger als vergleichbare Elfer dreht dieser, was den handverlesenen Kolben und Pleueln geschuldet sein dürfte.
Das Gefühl der spürbar gestiegenen Agilität ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Kräfte, dem fein justierten Gesamtpaket: aus fehlender Dämmung, die Motor und Antrieb näher und unvermittelter auftreten lassen, der leichten Schaltwegverkürzung, der trockenen Federung und natürlich dem reduzierten Gewicht. 1160 Kilogramm gibt Porsche als Gewicht an, 50 kg weniger als beim serienmäßigen 911. Der andere Clubsport-Leichtbau des Schwimm-Europa- und -Weltmeisters Michael Groß baut noch leichter und wiegt schließlich sogar nur noch 1080 kg. Als Porsche-Pressechef Jürgen Pippig 1990 für den Christophorus vorbeikommt und Groß am Rand des Schwimmerbeckens und vor der Alten Oper in Frankfurt für Fotos Aufstellung nimmt, trägt dessen durchtrainierter CS eine individuell gestaltete Frontschürze, aber keinen Aufkleber auf dem Kotflügel. Selbst ein leichter und karger Clubsport bietet noch Einsparpotenzial.


Dieser Artikel ist mit weiteren Fotos in Ausgabe 1-2022 erschienen.

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