KultautosKlassiker der 90er Jahre
Das Jahrzehnt der Supermodels, Techno oder Grunge, Eurodance und natürlich jede Menge Mainstream, weite Jeans, Love Parade und vieles mehr – DAS waren die 90er.
Inzwischen sind die Präsentationswellen verebbt, zurück bleibt die Sicht auf einen Wagen, der nicht wie ein Gefährt von einem anderen Stern daherkommt, sondern seine Innovationen eher zurückhaltend aufträgt.
Der erste Eindruck ist ein guter. Schon der 911 war und ist kein Wagen, der seine Potenz nach außen gewandet präsentiert. Der Taycan folgt dieser Linie: Nach Cayenne, Panamera und Macan erscheint er trotz fast fünf Metern Länge als kleiner, aber sehr eleganter Wagen. Das liegt an der vor allem im Heckbereich eingezogenen Dachlinie.
Man fühlt sich an das nie gebaute viertürige Sportcoupé 989 erinnert, an dem Porsche gegen Ende der achtziger Jahre arbeitete, es aber nie baute, weil man zu dem kalkulierten Preis wenig Absatzchancen sah. Beim ersten Kontakt fällt angenehm auf, dass das gebogene Display im Umriss des klassischen 911-Instrumentenbretts, das in seiner Anordnung etwas Schwebendes besitzt, die Brücke von der eigenen Historie in die Zukunft schlägt.
Beim Thema Infotainment unterscheidet sich der Taycan grundsätzlich nicht übermäßig von den bekannten Modellen, wird aber natürlich weiterentwickelt. Es gibt
einige elektrospezifische Punkte ‒ so wird etwa auf einen sparsamen Fahrmodus umgeschaltet, wenn der Wagen erkennt, dass der Strom nicht bis zum Ziel reicht.
Eine erste Proberunde auf dem Beifahrersitz bestätigt: Der Taycan kann nicht nur längs-, sondern auch querdynamisch auftrumpfen. Und der Platz langt auch. Ein kleinerer vorderer und ein größerer Kofferraum im Heck bieten in Summe rund 450 Liter Volumen.
Diese neue Bescheidenheit in der Größe ist aber nicht nur Selbstzweck. Im Gegensatz zu den Verbrennern aus dem Hause Porsche muss der Taycan mit dem kostbaren
Strom als Vortriebsenergie noch entschiedener haushalten. Die erdölgetriebene Fortbewegung ist flexibler, dank Turbotechnik lassen sich Drehmoment- und Leistungskurven fast nach Belieben formen. Gegen größeren Durst hilft ein größerer Tank, und man kann sich schnell an Zapfsäulen retten.
In der Elektrowelt ticken die Uhren anders: Reichweite und Ladezeit heißen die entscheidenden Themen, das ist beim Taycan nicht anders. Dabei stolpert man über einen ungewohnten Begriff: Turbo. Porsche hat diese Bezeichnung seinen ersten beiden Taycan-Modellen mitgegeben. Da heutzutage eigentlich fast jeder Motor einen Turbo besitzt, besetzt Porsche den Begriff einfach anders. Einem Kind könnte man es so erklären: Turbo steht für „verdammt schnell“ und Turbo S für „sauschnell“.
625 PS, bzw. 680 PS im Boost-Modus, leistet der schwächere Taycan Turbo, ebenfalls 625 PS der stärkere Turbo S, der mit 761 PS im Boost-Modus auftrumpft.
Bei 260 km/h ist für beide Schluss. Bei diesem Tempo wird es aber nicht gelingen, auf die nach WLTP gemessene Reichweite von 388 bis 450 Kilometer (Turbo S: bis
412 km) zu kommen.
Der wichtigste Unterschied zu bisherigen Elektroautos ist das 800-V-Netz, das mit dem Taycan erstmals in einen Serienwagen einzieht. Porsche konnte beim LMP-1-Sportwagen 919 Hybrid Erfahrung mit dieser Technik sammeln.
Bisher waren 400 V Standard. Die Verdopplung bringt eine Reihe von Vorteilen: Die Ingenieure können die Kabel im Auto dünner auslegen, das spart Gewicht.
Und eine entsprechende Ladestruktur vorausgesetzt, kann schneller geladen werden. 22,5 Minuten dauert es unter optimalen Bedingungen, den 93,4-kWh-Akku von
5 auf 80 Prozent zu bringen. Weiter geht man nicht, um die Lebensdauer nicht zu verkürzen. Auch lässt sich der Akku vor dem Ladevorgang aufheizen, um die Ladezeit zu verkürzen.
Im Karosseriebau folgt man bekannten Wegen. Es ist ein Mix aus Alu und Stahl in unterschiedlicher Ausformung, wie man es inzwischen in allen aktuellen Modellen hält. Der auffällig breite Schweller mit 15 Zentimetern Breite dient der Sicherheit. Dreieinhalb Jahre vor der Präsentation begann man mit den Crashtests, zunächst auch mit Batteriedummys. Deren Gehäuse durften sich nicht verziehen.
Der größte Unterschied: Im Wagenboden sitzt die Batterie in einem stabilen Rahmen mit Stahlplatte, der schon selbst mit 150 Kilogramm zu veranschlagen ist,
dazu kommen die Akkus mit 650 Kilogramm. Dem ganzen Strompaket im Unterbau lässt sich fahrdynamisch sogar etwas abgewinnen: Der Schwerpunkt des Taycan
liegt niedriger als beim 911.
Der Taycan besitzt zwei Elektromotoren, einen kleineren an der Vorderachse und einen größeren hinten, der mit einem Zweiganggetriebe kombiniert wird. Der erste
Gang dient in bestimmten Fahrprogrammen dazu, eine schnellere Beschleunigung zu ermöglichen. Der Turbo S kommt in 2,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, der Turbo
in 3,2 Sekunden.
Und mit einem Seitenhieb auf Tesla folgt auch der Hinweis, dass dies dauerhaft möglich sei. Porsche weist zudem auf die ungewöhnlich hohe Rekuperationsleistung
hin: Sie liegt bei bis zu 3,8 m/s und 360 PS, das geschieht erst, wenn das Bremspedal betätigt wird. Rund 90 Prozent der Bremsvorgänge im Alltag könne man damit
abdecken. Was dazu führt, dass Porsche erstmals ein zeitabhängiges Wechselintervall für Bremsbeläge von sechs Jahren eingeführt hat.
Unter 2305 Kilogramm kommt der Taycan nicht. Porsche hat aber inzwischen einige Erfahrungen im Bändigen schwerer Lasten durch den Cayenne gesammelt, vereinfacht gesagt bedient man sich aus diesem Baukasten aus Luftfederung, Wankstabilisierung und Hinterachslenkung. Nicht alles davon kommt serienmäßig
mit, etwa die Hinterachslenkung. Auch die aktive Aerodynamik mit verstellbaren Spoilern und Klappen ist grundsätzlich bekannt. Allerdings konnten die Ingenieure
die Vorteile des Elektroantriebs nutzen, indem man den Unterboden voll verkleidete und am Heck einen besonders wirksamen Diffusor gestaltete.
Auch die senkrechten Öffnungen unterhalb der Scheinwerfer sind nicht nur dem Design geschuldet. Mit 0,22 besitzt der Taycan Turbo den besten cW-Wert aller
Porsche-Modelle, die Stirnfläche beträgt 2,33 Quadratmeter. Die schönen Speichenräder des Turbo S, die auch in der Studie schon verwendet wurden, gefallen den
Technikern in der Beziehung weniger als die Variante, welche die flächige Verkleidung durch ihre Gestaltung geschickt kaschiert. Sie bringt ein paar Kilometer Reichweite mehr. So ist die Elektrowelt der Autos.
„Der Elektromotor wird den Verbrenner ablösen, das dauert aber noch viele Jahre“, sagt Stefan Weckbach, Leiter der Baureihe Taycan. Wer schon jetzt wie in der Zukunft unterwegs sein möchte, bekommt mit dem Taycan ein stimmiges Auto. Schöpft man die Fahrleistungen oft voll aus, wird man jedoch schneller und eventuell länger an der Ladesäule stehen, als es einem lieb ist. Auch hier muss man umdenken. Intelligent Performance heißt dann auch: mit den gebotenen Ressourcen sinnvoll haushalten.
Diesen und viele weitere interessante Artikel finden Sie in Ausgabe 1-2020.