911 Mletzko Marrakesch

Restomod High-End

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Ein F-Modell, das mehr als 270 km/h Spitze geht? Der Eindruck täuscht, denn darunter stecken ein 964 und teils hochmoderne Technik. 911 Mletzko heißt das Carbon-Restomod mit TÜV-Zulassung in jedem Detail und der weltschnellsten Wildkatze als Maskottchen.
911 Mletzko Marrakesch Fahrt
© Mletzko

Dr. Armin von Mletzko wird den jungen Dirk auf dessen Schulweg nicht bemerkt haben. Zu viel zu tun, die Apotheke musste laufen. Und wahrscheinlich drückten sich sowieso viele autobegeisterte Jungs aus der Nachbarschaft die Nase platt an seinem Porsche 2.7 RS, weiß mit roten Streifen. Da fiel ein Schaulustiger mehr oder weniger nicht auf.

Der Bürzel-Elfer stand fast täglich vor seiner Stadt-Apotheke in Melle, der Apotheker besaß stets die neuesten Modelle aus Zuffenhausen. Dass aus seinem Nachnamen mal eine Markenbezeichnung werden sollte, ahnte der Herr Doktor genauso wenig wie der 13-jährige Dirk ‒ der sich allerdings schon damals schwor: „Wenn ich 30 bin, will ich Porsche fahren.“ Wahrscheinlich dachten das viele seiner Altersgenossen. Die wenigsten werden es realisiert haben – Dirk Lührmann schon. Wenn auch erst im Alter von 33.

Heute lebt er Porsche. Nicht nur dadurch, dass er diverse Exemplare sein Eigen nennt – sondern Lührmann baut auch Porsche: Restomods unter dem Firmennamen Mletzko. Womit schon mal die Namensherkunft geklärt wäre.

Wer einen 911 Mletzko, es gibt weniger als eine Handvoll, auf der Straße erblickt, wird sich verwundert die Augen reiben, denn er sieht auf den ersten Blick ein tiefergelegtes, breites F-Modell mit Ölklappe. In Wahrheit ist es ein 964 mit Carbon-Karosserie, getuntem Motor, teilweise moderner Porsche-Technik und mehr als 700 nagelneuen Teilen.

911 Mletzko Fahrt Dolomiten
© Mletzko

„Die Arbeit begann mit vielen Hundert Stunden Design am Computer“, erzählt Dirk Lührmann, „allein an dem Bereich des hinteren Radlaufes am Übergang zum Schweller haben wir 50 Stunden gesessen. Denn der 964 besitzt hier eine eher eckige Form. Die wollte ich puristisch und ästhetisch hinkriegen. Und wenn man an dieser Stelle etwas ändert, zieht sich das bis oben in die Kotflügel – allein für die Kotflügelverbreiterung haben wir rund 100 Stunden Entwicklung benötigt.“ „Wir“, damit meint er unter anderem seinen Sohn Malte und den Schwiegersohn Andre, die beide in der Firma arbeiten und sie später einmal fortführen sollen.

Nach dem zunächst einmal nur theoretischen Design war der nächste Schritt zum ersten 911 Mletzko und allen weiteren, einen 964 zu strippen – selbst die hinteren Seitenteile wurden herausgeschnitten. Die Front wurde auf das F-Modell umgebaut, die Reserveradmulde zur Aufnahme eines Hochleistungsölkühlers vorbereitet. Unter anderem musste der Windlauf geändert werden, um den Scheibenwischermotor des 993 aufnehmen zu können.

Das Gerippe wird daraufhin bis auf die Türen ausnahmslos in Carbon neu eingekleidet. Natürlich besitzt der 911 Mletzko einen Bürzel, aber neu gestylt und aerodynamisch am Computer berechnet. Alle Anbauteile sind selbst gemacht, vom Außenspiegel über die Blinkergläser bis zum Waschwasserkasten. Die jeweilige Entwicklungsdauer ist beeindruckend. Hunderte neue Schrauben, teilweise selbst gefräst, Arbeit für viele Stunden. Blinker: 200 Stunden. Die vorderen Scheinwerfer: 300 Stunden. Interieur: 350 Stunden. Armaturen: 150 Stunden. Fahrwerk einschließlich Test und Abstimmung: 400 Stunden.

911 Mletzko AUF WUNSCH AUCH MIT BREMSE VON BREMBO

Natürlich hat Lührmann nicht alles neu gebaut. Vom Porsche 993 stammt zum Beispiel das Getriebe (mit überarbeiteter Übersetzung), den modifizierten Öltank spendiert der Porsche Turbo. Die Bremsen vorn kommen vom 993 Turbo, die Bremsen hinten vom 964 Turbo, man kann aber auch eine Brembo-GT-Bremsanlage bestellen. Der alte Kabelbaum fliegt raus, der neue wiegt gut 20 Kilo weniger. Das ABS-System ist neu, das Fahrwerk auch - Dämpfer von Öhlins oder Bilstein, je nach Wunsch. Das Gaspedal arbeitet elektrisch und stammt aus dem 997. Die Fuchs-Felgen sind trotz der Größe tatsächlich Originale: „Nach mehreren Verhandlungsrunden hat sich Fuchs bereit erklärt, extra für uns eine 17-Zoll-Tiefbettfelge in einer Kleinserie herzustellen“, freut sich Lührmann.

Mletzko 911 Marrakesch Fahrt Heck
© Mletzko

Insgesamt gibt er 33.000 Stunden für Entwicklung und Realisierung bis zum fertigen Prototyp an. Absolut glaubwürdig, wenn man weiß, dass jedes einzelne Teil vom Entwurf bis zur Realisierung von einem TÜV-Fachmann begleitet wurde und eine Zulassung besitzt. Was bei Restomod-Herstellern längst nicht die Regel ist.

Der absolute Hingucker aber ist der Sechszylinder. „Ich wollte, dass man kein einziges Kabel und keine störenden Befestigungspunkte sieht“, erklärt Dirk Lührmann die makellose Optik der je nach Wunsch 3,9 oder 4,0 Liter großen Aggregate. Durch Feinarbeit an Kurbelwelle, Ölpumpe, Titanpleuel, Zylinderkopf, Kolben, Zylinder, Motorgehäuse, Ventildeckel, Abgasanlage und Ölheizungsanlage haucht Mletzko ihnen wahlweise 345 oder 369 PS ein. Was sie laut Lührmann zu den stärksten vom TÜV abgesegneten 964-Saugmotoren macht, die zu bekommen sind.

Der Lohn der Mühe: ein puristisches Restomod, dabei elegant und hochästhetisch. Mit dem man die Welt bereisen und es sich danach als Kunstwerk ins Wohnzimmer stellen kann. Oder umgekehrt.

Mletzko-Marrakesch-Motor
© Mletzko

INSPIRATION zum 911 Mletzko DURCH SINGER

Was umso erstaunlicher ist, wenn man hört, dass Dirk Lührmann eigentlich aus der Immobilienbranche kommt. 2015 nahm er sich eine Auszeit, flog mit einem Freund nach Kalifornien und besuchte die Firma Singer. Dort bekam er Lust, etwas Ähnliches auf die Räder zu stellen. Der nächste Schritt: Er baute eine kleine, aber feine Hinterhofwerkstatt in Osnabrück auf und konsultierte eine auf Leichtbau spezialisierte Fachhochschule zur Begleitung des Projektes. Der Dreijahresvertrag platzte allerdings nach 24 Monaten - die Herren Akademiker konnten nicht im Mindesten die Anforderungen des Perfektionisten Lührmann erfüllen, wie er erzählt. So nahm er nicht nur die Carbon-Entwicklung selbst in die Hand, sondern dank des mittlerweile aufgebauten Netzwerks auch alle anderen Entwicklungen.

Heute rollen bereits drei Mletzko auf den Straßen: der Heartbeat in Rot, der Marrakesch in grauem Weiß und der Spirit of O in Grün. Wir können den Marrakesch entern und geraten in eine Orgie von Rottönen - der psychedelisch gemusterte Teppich zieht sich bis zum Scheibenrahmen. Das Interieur samt den fünf Rundinstrumenten wirkt völlig vertraut, trotzdem ist alles anders. Die Lenkstockhebelverkleidung hat Lührmann neu designt und im 3-D-Drucker hergestellt, weil er sie sieben Millimeter flacher als das Original haben wollte. Ebenso Individualismus wie zum Beispiel der Schaltknauf: Anstelle der Gänge 1 bis 6 liest man aufsteigend „OHYEAH“ ...

Der Motor röchelt herrlich selbstbewusst, und die viel zu kurze Fahrt ist eindrucksvoll. Im Marrakesch steckt die Vierliter-Variante, also stehen 369 PS zur Verfügung - und das für ein Auto, das mit 1145 Kilo knapp 200 Kilo weniger wiegt als ein 964. Knapp 400 Newtonmeter maximales Drehmoment lassen schaltfaules Fahren zu, der Sprint von 0 auf 100 km/h dauert zwischen vier und fünf Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt jenseits der 270 km/h. Das Lenken geht leicht von der Hand - kein Wunder, sitzt vorn im Kofferraum doch eine elektrohydraulische Servopumpe. Schnell ist vergessen, dass man hier ein Fast-Einzelstück für mehr als eine halbe Million Euro in den Händen hält.

Mletzko-Marrakesch-Sitze
© Mletzko

Bis zu fünf Wagen können künftig pro Jahr entstehen. Rund acht Monate braucht die kleine Firma zur Vollendung eines Exemplars, je nach individuellen Wünschen kann das auch länger dauern. Und Kleingeld sollte vorhanden sein: Einen brauchbaren 964-Spenderwagen taxiert Lührmann auf 45.000 bis 60.000 Euro, für die Metamorphose zum Mletzko mit Basis-3,9-Liter-Boxer werden noch mal knapp 600.000 Euro fällig, der Vierliter kommt noch etwas teurer.

Dafür kann man dann aber auch mit einem „F-Modell“ jenseits der 270 km/h punkten. Dazu passt das Maskottchen, das sich Lührmann für seine Mletzko ausgedacht hat und das unter der Fronthaube lauert: ein jagender Gepard, die weltschnellste Raubkatze.


Dieser Bericht erschien in Ausgabe 3-2021.
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