Porsche 356/2 Gmünd

Aller Porsche Anfang

Teilen
Sie sind Zeugnisse des Urknalls der Marke, die ersten in Serie gebauten Porsche. Ganze 52 Fahrzeuge entstanden zu Anbeginn der Zeiten in Kärnten, Österreich – auf diese Autos vom Typ 356/2 „Gmünd“ lassen sich alle späteren Porsche zurückverfolgen. Bis heute.
Porsche 356/2 Gmünd
© Roman Rätzke

Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht wir, wer sonst? Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, sich auf die Spurensuche der Marke Porsche zu begeben und in die Urzeit des Herstellers zu reisen, als den Sommer 2023, in dem Autowelt und Fans das 75. Firmenjubiläum feiern. Und kein Auto, noch nicht einmal der legendäre 356 „Nr. 1“ Roadster, könnte besser Zeugnis ablegen von den Anfängen des Sportwagenbaus bei Porsche als ein „Gmünd“. Keines besser eine Brücke in die Gegenwart schlagen als der Porsche 356/2 Gmünd.

Warum? Weil die Konzeption des ersten, noch in althergebrachter Handarbeit aber doch bereits in Kleinserie gefertigten Porsche noch ein Dreivierteljahrhundert später die Marke prägt. Der Boxermotor im Heck, Form und Schwung des Daches, die der Konstruktion innewohnende Agilität und Zuverlässigkeit – die bis heute gültigen Attribute eines 911 der aktuellen Generation 992 finden sich erstmals beim 356/2.

Mit der Neuauflage des 356, der zur besseren Unterscheidung vom Urentwurf mit der Ziffer 1 ganz pragmatisch eine 2 angehängt bekam, verabschiedete sich Porsche von der Radikalität des am 8. Juni 1948 per Einzelgenehmigung zugelassen Roadsters, mit seinem aufwendigen Gitterrohrrahmen und dem Mittelmotor mehr Renn- als Sportwagen.

Porsche 356/2 Gmünd Frontansicht
© Roman Rätzke

Ein manuell geschweißter Rahmen aus Stahlblech in Kastenbauweise und die beim KdF-Wagen bzw. VW erprobte Grundkonzeption mit dem Motor hinter der Hinterachse sorgten für eine einfachere Herstellung und mehr Platz für Passagiere und Gepäck. Bei Motor, Getriebe und Fahrwerk handelte es sich um VW-Komponenten, die Seilzugbremse ersetzte ein zugekauftes hydraulisches System der Firma Lockheed. Die Karosserie wurde immer noch in aufwendiger Handarbeit aus Aluminium gefertigt.

Die Anfänge der Porsche Konstruktionen GmbH im österreichischen Gmünd waren beschwerlich. Es fehlte an allem. An Maschinen, an Material und vor allem an Platz für die rund 270 Arbeiter und 30 Angestellten in den Holzbarracken der „Vereinigten Hüttenwerke“, wie das 1944 bezogene, zur Produktionsstätte umfunktionierte ehemalige Sägewerk firmenintern genannt wurde. Und auch das Geld fehlte.

Porsche 356/2 Gmünd: INVESTOREN KOMMEN AUS DER SCHWEIZ

Investoren fanden sich in der Schweiz. Rupprecht von Senger hieß der Käufer und Geldgeber der ersten Stunde. Er erwarb den Roadster mit der Fahrgestellnummer 356-001 und sicherte sich die Vorkaufsrechte an den ersten fünf Porsche, um diese in die Schweiz zu importieren. Er schoss die benötigten Mittel für eine Kleinserie vor, deren Fertigung bereits im Sommer 1948 anlief. Auch den Züricher Hotelier und Autohändler Bernhard Blank konnte Rupprecht von Senger vom Einstieg in das junge Unternehmen überzeugen. Darüber hinaus halfen die beiden Schweizer bei der Beschaffung des so dringend benötigten Aluminiumblechs.

Das erste gebaute 356/2 Coupé erlebte seine Publikumspremiere im Parterre des Hotels Bernhard Blanks, auch der erste Verkaufsabschluss ging auf den Geschäftsmann zurück. Das bei der Carrosserie Beutler & Co. in Thun gefertigte Cabrio kaufte die Züricher Ethnologin und Fliegerin Jolanta Tschudi, die damit als erste Porsche-Fahrerin in die Geschichte einging. Neben dem Coupé schmückte ihr dunkelblaues Cabrio den Messestand auf dem Genfer Salon im März 1949. Die von Jolanta Tschudis Vater Jaques 1928 gegründete AMAG (Automobil- und Motoren AG) übernahm bald darauf die Rolle des Schweizer Generalimporteurs von Bernhard Blank. Rupprecht von Senger war schon vorher ausgestiegen.

An dem improvisierten Charakter der Fertigungsstätte in Gmünd änderte sich dabei kurzfristig nichts, die Produktionsbedingungen unter drangvoller Enge blieben schwierig. Selbst Ferry Porsche wunderte sich später, dass es bei all den Problemen gelang, bis zur Rückkehr nach Stuttgart 1950 eine so große Anzahl von Autos herzustellen – in Summe 52 Fahrzeuge, 46 Coupés (zuerst noch als Limousine bezeichnet) und acht Cabriolets.

Porsche 356/2 Gmünd Innenraum
© Roman Rätzke

Um die Fertigung zu vereinfachen und zu beschleunigen, vergab Porsche Karosserie- und Komplettierungsarbeiten von angelieferten Komponenten an Spezialisten. Coupés lieferten die Karosseriebauer Kastenhofer, Keil oder Austro-Tatra aus Wien sowie Beutler aus der Schweiz. Die Cabriolet-Karosserien – für die in Gmünd bereits im Januar 1948 Zeichnungen erstellt worden waren – kamen von Keibl, Kastenhofer und Beutler, unterschieden sich zum Teil im Aussehen und in der Ausstattung (je nach Kundenwunsch) aber deutlich.

46 COUPÉS UND ACHT CABRIOS vom Porsche 356/2 Gmünd

Trotz der Auftragsvergabe an Subunternehmer verlief die Produktion improvisiert, die Wege zum fertigen Fahrzeug waren lang und vor allem bis 1950 stimmten Chassis- und Aufbaunummern nicht überein. Erst ab 1950 näherten sich Fahrgestell- und Motornummer an. Mit dem Gedanken an spätere Rennsporteinsätze in der Klasse bis 1,1 Liter reduzierte Porsche den Hubraum des Triebwerks geringfügig. Während im 356 „Nr. 1“ Roadster noch ein Vierzylinder mit 1131 cm3 Hubraum und 35 PS arbeitete, kamen die im 356/2 verwendeten Motoren des Typs 396 auf 1086 cm3 und 40 PS.

Der im Nachhinein dramatisch erscheinende Anstieg der Leistung von ursprünglich 24,5 PS wie beim Volkswagen auf 40 PS bei 4000/min beim Porsche resultierte aus der Verwendung zweier Solex-Fallstromvergaser sowie modifizierter Zylinderköpfe mit im Winkel zueinander stehenden, größeren Ventilen. Die erforderlichen Spezialzündkerzen wurden laut Ferry Porsche zeitweise in der Hosentasche über die Grenze von Deutschland nach Österreich geschmuggelt.

Wie die mit Materialengpässen kämpfende Fertigung war der Verkauf der von der Fachpresse gelobten, aber nur wenig bekannten 356/2 kein Selbstläufer. Auch der hohe Preis von 14.500 Franken stand einem Verkaufserfolg im Weg.

Porsche Fahrer-Chefredakteur Jan-Henrik Muche beeindruckt vom Porsche 356/2 Gmünd
© Roman Rätzke

Offensichtlich war, dass der Standort Gmünd keine Zukunft hatte, weshalb die Rückkehr nach Stuttgart vorbereitet wurde – obwohl sich das Werk 1 1949 noch unter Kontrolle der US-Army befand. Erste Anlaufstelle für die Rückkehrer war die Porsche-Villa auf dem Killesberg, während bei der Karosseriefirma Reutter in deren Stammsitz in der Augusten-Straße Anfang 1950 die ersten 356-Karosserien gebaut wurden. Auch die wirtschaftliche Situation verbesserte sich. Ferry Porsche sagt dazu später einmal: „In Gmünd war die Rentabilität gleich null.“

Zehn noch in Gmünd, jenseits der finalen Fahrgestellnummer gebaute 356/2 zogen mit nach Stuttgart um. Eines der Coupés, später 356 SL Typ 514 genannt, diente 1951 als Basis für den ersten Start beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans – weil sich die in Gmünd gebauten Fahrgestelle als stabiler und die mit Aluminium beplankten Fahrzeuge als leichter sowie aerodynamisch günstiger als die aus Stuttgarter Produktion erwiesen!


Den kompletten Artikel mit weiteren Fotos finden Sie in der Jubiläumsausgabe 6-2023.

Text: Jan-Henrik Muche

Bildergalerie
Ähnliche Artikel
Artikel teilen

Bitte wählen Sie eine Plattform, auf der Sie den Artikel teilen möchten:

Beitrag melden

    Ihr Name

    Ihre E-Mail-Adresse

    Bitte beschreiben Sie kurz, warum dieser Beitrag problematisch ist

    [honeypot company]


    xxx
    Newsletter-Anmeldung

    * Pflichtfeld

    ** Der HEEL Verlag erhebt Ihre Daten zum Zweck des kostenlosen E-Mail-Newsletters. Die Datenerhebung und Datenverarbeitung ist für die Durchführung des Newsletters und des Informationsservice erforderlich und beruht auf Artikel 6 Abs. 1 a) DSGVO. Zudem verwenden wir Ihre Angaben zur Werbung für eigene und HEEL-verwandte Produkte. Sie können sich jederzeit vom Newsletter abmelden. Falls Sie keine Werbung mehr auf dieser Grundlage erhalten wollen, können Sie jederzeit widersprechen. Weitere Infos zum Datenschutz: ds.heel-verlag.de