Andrew Frankel und seine Fahrt im 917/30

Mit 50 noch einmal durchstarten

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Anfang dieses Jahres erlebte der renommierte Autojournalist Andrew Frankel die „zehn besten Minuten seiner Karriere“ – am Steuer des legendären Porsche 917/30. Jetzt erzählt er die ganze Geschichte.
© Porsche

Sind es wirklich schon 50 Jahre? Wenn man bedenkt, wie wenig sich Sportwagen in dieser Zeit in ihrer Optik verändert haben, und dann an die langsamen, unförmigen, kofferartig anmutenden Maschinen denkt, die noch 50 Jahre vor dem Porsche 917 Rennen fuhren, kann man sich vorstellen, welches Aufsehen das Fahrzeug im Jahre 1969 erregt haben muss.

Er war so schnell wie ein Formel-1-Wagen, aber auf 24-Stunden-Rennen ausgelegt; ein Auto, das von seinen Fahrern gleichermaßen geliebt und gefürchtet wurde, und bei allen Neid hervorrief, die die undankbare Aufgabe hatten, mit ihm Schritt halten zu müssen. 1971 fuhr Jackie Oliver mit seinem 917 LH in Le Mans Durchschnittsgeschwindigkeiten von mehr als 250 km/h und knackte dabei auf der Hunaudières-Geraden sogar die 386-km/h-Marke.

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Aufgrund eines solchen Tempos sahen sich die Behörden genötigt, rasch neue Vorschriften umzusetzen, damit Fahrzeuge wie der 917 nicht mehr gebaut würden, um ihn letztlich komplett zu verbieten. Eine Begrenzung des Motorhubraums auf drei Liter war das Ergebnis. Doch wer glaubte, damit sei der 917 vom Tisch, wurde schnell eines Besseren belehrt. Denn Porsche verlegte seinen Fokus ganz einfach auf die andere Seite des Atlantiks, auf den wichtigen nordamerikanischen Markt. Die Ingenieure passten den 917 an den Canadian-American Challenge Cup an und entfesselte damit bis dato nie dagewesene Leistungen.

1973 erzeugte der Porsche 917/30 mit seinem mittlerweile turbogeladenen, 5,4 Liter 12-Zylinder-Motor eine Leistung von 808 kW (1.100 PS), also rund doppelt so viel wie der ursprüngliche 917 mit 4,5-Liter-Motor nur vier Jahre zuvor. Dies war nicht die Grenze des Möglichen, aber mehr war schlichtweg nicht erforderlich. Sein Nachfolger, der 917/10, gewann die ersten zwei Runden der Meisterschaft, der 917/30 die übrigen sechs. Wieder einmal mussten die Regeln geändert werden, um den 917 aus dem Rennen zu werfen.

Nur zwei 917/30 gingen bei Can-Am-Rennen an den Start, gefahren von Brian Redman und dem verstorbenen Mark Donohue. Eines dieser Fahrzeuge ist seit langem Teil einer privaten Sammlung in den USA, das andere ist noch immer im Besitz von Porsche, der erste beim Can-Am siegreiche 917/30. Die großartigste Version eines Rennautos, das weithin als das beste der Welt gilt. Wie es sich wohl anfühlen würde, diesen Wagen zu fahren?

© Porsche

Unfassbar, aber im April erhielt ich die Chance, diese Frage zu beantworten. Beim Members‘ Meeting in Goodwood waren mir zehn Minuten in dem Fahrzeug von Porsche vergönnt, zehn Minuten, um mir einen Lebenstraum zu erfüllen.

Das womöglich Erstaunlichste daran war nicht das Fahrzeug selbst, oder seine Leistung, sondern es waren die Menschen, die ihn herbrachten. Es gab keine mahnend erhobenen Zeigefinger, keine Drehzahlbeschränkungen, keine ängstlichen Bitten, den Wagen heil wieder zurückzubringen. Nur ein „viel Spaß“. Das, und die Bestätigung, dass ich an diesem Tag tatsächlich „mindestens“ 808 kW (1.100 PS) würde spüren können. Der Wagen wiegt 800 Kilogramm.

Anfangs scheint es viel zu einfach. Die Kupplung ist schwergängig, aber nicht reißend, das Viergang-Getriebe recht langsam, aber einfach zu steuern. Das Fahrzeug fühlt sich kleiner und schmaler an, als es aussieht, und reagiert mit großer Präzision auf Lenkmanöver. Es versucht, mich einzulullen, mich dazu zu bringen, meine Vorsicht aufzugeben, damit es mir in aller Öffentlichkeit auf beschämendste Weise die Kontrolle entreißen kann. Versucht es das?

Eigentlich nicht. Die Übertragung vom Gaspedal ist progressiv und scheinbar grenzenlos, dennoch kann man das Eintreten der Leistung gut kontrollieren. Mein Vertrauen wächst. Ich beginne, auf andere Aspekte zu achten, zum Beispiel darauf, wie gut das Handling ist. Der Grip der riesigen Avon-Rennreifen ist gewaltig und die Massenverteilung wunderbar ausgewogen. Langsam möchte man noch mehr Leistung. Ich drücke das Gaspedal noch etwas weiter herunter.

© Porsche

Und noch etwas schneller. Ich frage mich, was zuerst kommt: die Grenze der eigenen Angst oder die der unfassbaren Fähigkeit des 917, geballte Power abzugeben. Geraden verschwimmen. Das Geräusch des 12-Zylinder-Motors ist Ehrfurcht gebietend, aber darauf achten kann ich nicht, denn auch nur ein Moment fehlender Konzentration und man hat mehr Strecke verschlungen und an Geschwindigkeit zugelegt, als man verarbeiten kann. Aber je schneller der Wagen wird, desto mehr Spaß macht es. Meine Angst schwindet, statt größer zu werden. Wer wird das Rennen machen? Angst oder Power?

Weder noch. Ich hatte vergessen, dass es noch eine dritte Möglichkeit gab. Während meiner letzten Runde, gegen Ende der Start-Ziel-Geraden und bei weit über 160 km/h im dritten Gang, trete ich schließlich das Pedal durch; plötzlich flammen die gewaltigen Avon-Hinterräder auf und drehen durch, während die Drehzahl nach oben schnellt. Und selbst in diesem Moment weicht der Wagen keinen Zentimeter von der von mir gewählten Bahn ab.

Das war es dann. Mein Traum war wahr geworden: Ich bin den besten aller Wagen gefahren, so schnell, wie ich konnte, und habe es sicher geschafft. Der Porsche 917/30 hat nicht nur meine hohen Erwartungen und Hoffnungen erfüllt, sondern sie in jeder Hinsicht übertroffen.


Autor: Andrew Frankel für Porsche
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