Porsche Klassik
· 01.09.2021
Ein echter Rennwagen für den Alltag – davon träumen viele. Mit Sicherheitszelle, Schalensitzen und Rennpedalerie, großen Bremsen und nacktem Interieur. Kein Nachbau, kein ausgeweidetes Serienmodell. Nein: ein echter Rennwagen mit echter Rennhistorie, gestählt durch harte Rad-an-Rad-Duelle auf der Strecke. Wirklich wild und nur so weit domestiziert, wie für die Straßenzulassung nötig. Keine Replika, sondern ein Original: gibt es, aber nur selten.
Einer dieser raren Fälle gehört Michael Eiden: »Ein 964 Cup wirklich aus der ersten 50er-Serie!«, freut sich der Porsche-Spezialist aus Osburg bei Trier über das schlicht weiße Coupé mit den schwarzen Cup-Rädern, das so unschuldig daherkommt, als könnte es der Verkehrsordnung nichts zuleide tun. Weit gefehlt: Dieses Auto ist ein echter Vollblut-Racer und Begründer einer wahren Rennwagen-Dynastie, aber auch einer der letzten Vertreter mit luftgekühltem Boxermotor.
Die erste Saison des Porsche Supercups mit dem 964 Cup mündete in einem Finale, das Motorsportgeschichte geschrieben hat.
Tatsächlich prägte der 964 das erste Kapitel der erfolgreichsten Markenpokalgeschichte der Welt: die des Porsche Carrera Cups – damit ging es 1990 in Deutschland los – und des Porsche Supercups, der seit 25 Jahren das Rahmenprogramm ausgewählter Formel-1-Läufe bereichert und den Grands Prix in puncto Action oft die Show stiehlt.
Dies zeichnete sich schon 1993 ab, als der Supercup erstmals an den Start ging und in Hockenheim ein furioses Finale erlebte, wie es im Motorsport selten ist. Die beiden Titelrivalen Uwe Alzen und Altfrid Heger gingen mit ihren 275 PS starken 911ern exakt punktgleich ins Rennen und lieferten sich an der Spitze des Feldes ein Scharmützel, das auch die Zuschauer zum Rasen brachte. Mal lag der eine vorn, mal der andere, zumeist trennten nur wenige Zentimeter die beiden Haudegen, die immer kompromissloser über die Randsteine bolzten und im wüsten Drift über die Grünstreifen pflügten –
ein Spektakel sondergleichen, das Heger erst in der letzten Runde vor der Sachskurve für sich entschied. Der Essener krönte sich mit 154 zu 152 Punkten zum ersten Supercup-Champion. Für den Videobeweis siehe YouTube.
Was der 964 Cup begann, setzten die nächsten vier 911-Generationen mit Markenpokal-Renngeräten fort (siehe Seite 117). Seit 1998 und ab der Baureihe 996 tragen sie einheitlich den Namen GT3 Cup. Ging es vor einem Vierteljahrhundert noch mit 265 PS bei 1.120 Kilogramm Lebendgewicht los, hat sich der aktuell 485 PS starke und lediglich 80 Kilogramm schwerere Cup-Carrera prächtig entwickelt. Das gilt auch für die Stückzahlen: Rund 4.000 Markenpokal-Neunelfer hat Porsche bis heute an Kunden weltweit verkauft, denn nationale Carrera Cups gibt es inzwischen in 20 Ländern rund um den Globus. Zugleich liest sich die Liste der Fahrer, die ihre Feuertaufe am Steuer eines Cup-Porsche bestanden haben, wie das Who‘s Who des internationalen Motorsports – darunter Formel-1-Piloten und Le-Mans-Sieger wie Timo Bernhard, Marc Lieb, Nick Tandy und Earl Bamber, die zuletzt mit dem Porsche 919 Hybrid erfolgreich waren.
Eidens Porsche 964 trug 1990 statt eines Kennzeichens noch die Startnummer 16 und war beim Auftakt des Carrera Cups hautnah dabei. Am Steuer: Andreas Bovensiepen, inzwischen Chef des edlen Kleinserien-Autoherstellers Alpina. Später griff auch Bernd Mayländer ins Lenkrad des unschuldig wirkenden Zweitürers, heute Chauffeur des Formel-1-Safety-Cars. Dann verliert sich die Geschichte des Rennwagens. Als er 2003 das erste Mal Eidens Weg kreuzte, trug er einen RSR-Look und diente als Rallye-Auto: »Acht Jahre stand er so bei uns, dann kaufte ihn ein Kunde und wir haben ihn wieder in den Originalzustand versetzt. Für die Straßenzulassung mussten wir nur eine Handbremse ergänzen und den lauten Auspuff modifizieren, das war’s.«
2016 kehrte der Cup-Porsche nach Osburg zurück. Dank schärferer Nockenwellen und eines angepassten Luftmassenmessers leistet er nun sogar 320 PS und macht mit seiner kompromisslosen Art mordsmäßig viel Spaß –
wie ein echter Rennwagen eben. Und von denen gibt es im öffentlichen Verkehr bekanntlich nicht viele...
TECHNISCHE DATEN
Porsche 964 Cup (1990)