Porsche-CustomizingOde an Porsche

Porsche Klassik

 · 01.09.2021

Porsche-Customizing: Ode an PorscheFoto: Markus Bolsinger
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Foto: Markus Bolsinger

Schule schwänzen, um Porsche zu fahren. Hört sich super an, riecht nach Ärger. Nicht für Frank Troche, denn Vater Klaus hat ihn alle zwei bis drei Jahre zur Werksabholung seiner Elfer mit nach Zuffenhausen genommen. Ein wahr gewordener Traum für den damaligen Schuljungen. Mittlerweile ist Troche junior 52 Jahre alt, sein Vater fährt mit fitten 78 Jahren aktuell einen Porsche 911 Turbo S. Heute begleiten sie sich gegenseitig, wenn einer der beiden einen neuen Sportwagen in Stuttgart holt. »Unsere Familie liebt die Marke. Mit etwas Glück und viel Fleiß haben wir in den vergangenen Jahrzehnten eine Porsche-Sammlung aufgebaut, bestehend aus luftgekühlten Modellen jeder Epoche«, erzählt der gebürtige Heilbronner, der seit knapp 50 Jahren im mittelfränkischen Lauf an der Pegnitz lebt. »Erzählen« ist dabei eigentlich das falsche Wort. Er lässt es sich mühsam entlocken. Zu bescheiden ist der Porsche-Enthusiast, der ein Unternehmen in der Sicherheitsbranche mit knapp 60 Mitarbeitern leitet.

Sein aktuellster Neuzugang ist ein Porsche 911 (Typ 964) Carrera 2 Coupé modifiziert von Singer Vehicle Design. »Reimagined« von der in Kalifornien ansässigen Autoschmiede. Oder anders gesagt: neu gestaltet, neu interpretiert, neu geträumt. »Die feierliche Übergabe fand im Rahmen der Porsche Rennsport Reunion im September 2018 am Laguna Seca Raceway in den USA statt. Ich war sofort hin und weg«, sagt Troche, der von dort zu einer längeren Erprobungsfahrt aufbrach. Anschließend ließ er bei Singer, etwa 30 Kilometer nördlich von Los Angeles, den ersten Service durchführen und sich dann das Auto nach Franken liefern. Aufgrund des Umfangs der Modifikationen erfolgte hierzulande eine TÜV-Vollabnahme für die Einzelzulassung.

Vor vier Jahren konfigurierte Troche den Wunsch-Elfer online und beauftragte die Restaurierungsarbeiten dann bei Rob Dickinson, studierter Autodesigner, ehemaliger Rockmusiker, CEO von Singer. Für jeden Kunden legt Dickinsons Team einen Ordner an. Troches Elfer hat die Nummer 77, den Rücken des Ordners ziert der Name »Lauf«. Bei Singer gang und gäbe, der Wohnort des Käufers ist gleichzeitig der Arbeitstitel des Autos, die Singer-Datenbank liest sich wie eine Landkarte. Sobald die Restaurierung des Basisfahrzeugs begonnen hat, in Troches Fall eines 1991 nach Japan ausgelieferten, über die Jahre etwas verbastelten 964 Carrera 2, wird der Käufer mit Bildern und Informationen zum aktuellen Arbeitsstand online auf dem Laufenden gehalten.

Das Schönste an Ihrem Singer, Herr Troche? »Die Farbe Irischgrün, die Singer bei meinem Fahrzeug zum ersten Mal verwendet hat«, sagt er und geht ein paar Schritte zurück, die Sonne setzt die perfekten Akzente auf den Lack. Der Inspiration zu dieser Farbe liegt ein Erlebnis aus der Kindheit zugrunde: »Als ich eines Tages meinen Vater, der unter anderem Zulieferer für Porsche war, in den Ferien nach Zuffenhausen begleitete, parkte neben unserem Elfer am Werk 1 ein grüner Porsche. Mein Vater saß bereits in einer Besprechung, ich wartete im Auto auf ihn. Ferry Porsche stieg aus. Diesen Moment werde ich nie vergessen.« Zur Außenfarbe Irischgrün passt innen Braun, findet Troche, der sich als Vorbild für diese Kombination den guten Geschmack von Ferdinand Alexander Porsche nahm. Braunes Leder aus Italien für das Interieur, umrahmt von beigefarbenen Bouclé-Teppichen, einem airbaglosen Momo-Lenkrad, Felgen in Fuchs-Optik, Kolben von Mahle, Getrag-Getriebe, Öhlins-Fahrwerk, Eibach-Federn, den Motor hat Singers benachbarter Rennmotorenbauer Ed Pink Racing Engines passend gemacht. »Singer kauft etwa 75 Prozent der Neuteile bei Porsche, das restliche Viertel bezieht das Unternehmen von den besten Zulieferern, die es auf dem jeweiligen Gebiet gibt«, sagt Troche, der sich so ziemlich alles an seinem Fahrzeug hat beledern lassen, was sich nur beledern ließ, unter anderem den Überrollbügel, den Mitteltunnel und die Griffe für die Sitzverstellung. Tank und Motorraum wurden mit hitze- und säurebeständigem Kunstleder aus dem Yachtbau in Rautensteppung verkleidet. »Mich fasziniert die unermessliche Liebe zum Detail«, fährt er fort und beginnt sogleich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung, hier die Kurzversion: »Ein Blick in den Konfigurator reicht aus, um zu wissen, dass es so viele Möglichkeiten gibt, dass die Wahrscheinlichkeit, auf einen Zwilling zu treffen, gleich null ist.«

Die gesamte Karosserie fertigt Singer aus Carbon, lediglich die Türen sind nach wie vor original aus Stahl, erklärt der begeisterte Besitzer und streicht währenddessen über die Außenspiegel, die nicht wie üblich an den Türen, sondern an den Dreiecksscheiben befestigt sind. Der elektrisch ausfahrbare Heckspoiler erinnert an den legendären Entenbürzel, die Hella-Xenonscheinwerfer in Klarglasoptik verbinden einmal wieder den klassischen Look mit moderner Technik. Ebenfalls unübersehbar: der zentral angebrachte Benzineinfüllstutzen in der vorderen Haube sowie der Öleinfüllstutzen unmittelbar hinter der Beifahrertür. Unter der hinteren Haube arbeitet ein vier Liter großer Sechszylinder-Boxermotor mit Fächerkrümmer, der bei 7.300 Umdrehungen pro Minute 396 PS (390 SAE-PS) leistet. Das Doppelendrohr der Titan-Sportauspuffanlage hat Singer mittig platziert. Die Höchstgeschwindigkeit des Elfers beträgt circa 280 Stundenkilometer, aber darum geht es bei einem klassischen Porsche nicht primär. Troche startet den gewaltigen Motor, der immer noch so aussieht, als dürfte er zum ersten Mal zeigen, was er kann.

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Dickinson, gebürtiger Engländer, seit 2003 Wahlkalifornier, gründete Singer Vehicle Design vor genau zehn Jahren. Der 53-Jährige ist der Cousin von Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson und nicht minder musikalisch als dieser, aber als Autodesigner eben auch noch mit einem weiteren Talent gesegnet. »Wir optimieren Klassiker mit viel Akribie und Detailversessenheit. Unsere Verehrung für Porsche steht dabei an erster Stelle«, sagt der ehemalige Sänger und Gitarrist der Band
»Catherine Wheel«. Der Name »Singer« ist zum einen eine Hommage an Norbert Singer, der als Renningenieur bei Porsche zwischen 1970 und 1998 16 Gesamtsiege beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans feierte, zum anderen passt der Name zu Dickinsons früherer Karriere am Mikrofon. Die Designphilosophie des Unternehmens bringt er schnell auf den Punkt: »Everything is important«, selbst das kleinste Teil eines Elfers wird bei der Modifizierung bedacht. »Rob vereint die besten Porsche-Tugenden mit moderner Technik, ohne die Originalsubtanz eines 964 zu zerstören«, fasst Troche zusammen. Bis heute hat Singer etwa 130 Fahrzeuge restauriert, für die kommenden zwei bis drei Jahre sind die Kalifornier bereits ausgebucht.

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Zurück nach Lauf bei Nürnberg in die Garage von Troche. Dort steht der Singer in guter Gesellschaft, unter anderem in der Nähe eines 911 R, 550 Spyder, 356 Carrera, 911 Carrera RS 2.7 in Blutorange und eines 964 RS in Sternrubin. Mit Letzterem darf er seine Tochter Marie nicht von der Schule abholen, zu peinlich ist der 14-Jährigen die Farbe. Troche lacht, als er das erzählt, und gibt einen kurzen Exkurs über die Tücken der Pubertät. Abgesehen von der Abneigung gegen die Farbe ist seine Tochter autoaffin und begleitet ihn gelegentlich nach Zuffenhausen, so wie er seinen Vater damals. Aber nur in den Ferien. Schule schwänzen ist nicht.


TECHNISCHE DATEN

Porsche 911 (964) Carrera 2 Coupé by Singer Vehicle Design

  • Motor: Sechszylinder-Boxermotor
  • Hubraum: 3.940 cm³
  • Verdichtung: 11,2:1
  • Leistung: 396 PS (291 kW)/390 SAE-PS bei 7.300 U/min
  • Drehmoment: 430 Nm bei 5.900–6.000 U/min
  • Getriebe: 6-Gang-Schaltgetriebe
  • Leergewicht: 1.244 kg