Porsche Klassik
· 21.03.2024
Flughafen Zürich. Hans-Joachim Stuck wartet mit Perücke, Chauffeursmütze und weißen Handschuhen über eine Stunde auf seinen ehemaligen Le-Mans-Teamkollegen Derek Bell und dessen Frau. Warum der Aufzug? Sie haben heute etwas Besonderes vor. Und Stuck ist bekannt für seine legendären Aktionen mit Augenzwinkern.
Sie haben beide Rennsportgeschichte geschrieben. Sind fast alles gefahren. Doch gibt es diese seltenen Momente, die selbst Größen wie Bell und Stuck bewegen. Heute braucht es dafür keinen Rennwagen, der mit Extremen wirbt. Heute geht es um den Genuss am Fahren. Und um Eleganz. Umrahmt von den Berggipfeln der Silvretta-Hochalpenstraße.
„Fahren in seiner schönsten Form.“ Mit diesem Satz beschrieb der bekannte Porsche-Rennfahrer Richard von Frankenberg im Jahr 1952 eine Tour in einem Porsche 356. Der erste Serien-Porsche fasziniert bis heute. „Das sind ja Traumautos“, sagt Stuck, als er den schwarzen 356 Speedster von 1954 und das elfenbeinfarbene 356 Pre-A Continental Coupé von 1955 mit der charakteristischen einteiligen Windschutzscheibe samt mittigem Knick („Knickscheibe“) sieht. Bell, typisch britisch, fasst sich kurz: „Great.“ Die Zurückhaltung ist schnell vorbei. Sie steigen in den 356er Continental. Stuck am Steuer, Bell als Beifahrer. Ehrfürchtig streicht Stuck über das dünne Lenkrad und das beige Armaturenbrett.
Heute braucht es keinen Rennwagen , der mit Extremen wirbt, heute geht es um den Genuss am Fahren
Es erzählt eine lange Geschichte. Es stammt original aus dem Jahr 1955. Damals wurde der 356 von Max Hoffman in New York importiert. Seit elf Jahren gehört er Andreas Kainer. „Das Interieur ist komplett unberührt“, sagt der stolze Österreicher. Sein Landsmann Hoffman, ein gebürtiger Wiener, machte sich damals in New York einen Namen als US-Importeur. Er war bekannt für seinen Geschäftssinn. Hoffman war es, der Ferry Porsche bei einem Essen drängte, ein Emblem für die Autos zu entwerfen, um eine Markenidentität zu schaffen. Porsche gab murrend nach und ließ das legendäre Wappen zu Papier bringen, das noch heute auf der Haube prangt.
Um den Verkauf des Sportwagens anzukurbeln, hatte Hoffman 1955, kurz bevor der Porsche 356 A in den USA offiziell eingeführt wurde – daher der Namenszusatz Pre-A –, eine Idee. Er wollte eine Sonderedition auf den Markt bringen. Die amerikanischen Autofahrer bevorzugten gut ausgestattete Modelle. Die Konkurrenz der britischen und heimischen Marken war groß. Um den Geschmack der US-Autofahrer zu treffen, ließ Hoffman unter anderem den Motorraum besser isolieren, um die Geräuschkulisse für Langstreckenfahrten zu verbessern. Mit seinen 55 PS hatte dieser 356er genug Leistung, um auf den Highways zwischen New York und Los Angeles die Rolle des Alphatiers einzunehmen.
Heute, fast 70 Jahre später, fährt Stuck nicht über die Autobahn, sondern genießt das Kur vengeschlängel in Vorarlberg. „Das sind Autos, die man einfach spürt. Ich bin jetzt neun Stunden gefahren und kein bisschen müde“, sagt er.
Er ist in guter Gesellschaft. Insgesamt 45 Besitzer der Baureihe 356 – darunter ein Le Mans Coupé – kamen auf Einladung von Kainer in den noblen Skiort Zürs am Arlberg zu dem Porsche-Treffen. Die Strecke führte die Porsche-Enthusiasten entlang der Silvretta-Hochalpenstraße. Die ist wie gemacht für den wendigen Porsche. „Man fühlt das Auto förmlich. Es sagt dir genau, was es will“, sagt Stuck.
Der Porsche 356 Pre-A Continental ist nicht das einzige Schmuckstück in Kainers Porsche-Schatulle. Der schwarze Porsche 356 Speedster, Baujahr 1954, parkt ebenfalls in der Garage des 61-Jährigen. Er hat das Auto vom US-Oldtimer-Spezialisten Tom Miller gekauft und ist damit fünfmal bei der legendären Mille Miglia angetreten. Ohne jedes Problem.
Vom 12. bis 15. September 2024 wird in Zürs am Arlberg erneut ein Porsche-356er-Treffen stattfinden. Erlaubt sind alle bisher gebauten Speedster-Modelle und alle Pre-A 356 Porsche – auch Coupé und Cabrio. Kontakt: Andreas Kainer: +43 664 2035160 oder per Mail: andi.zuers@gmail.com
Es ist nicht irgendein Speedster. Sondern einer aus jener Charge, mit der Hoffman in den USA einmal mehr erfolgreich war. Anfang der 1950er-Jahre waren die Amerikaner ganz vernarrt in Cabriolets. Diesen Wunsch wollte Hoffman zu Geld machen. Der Geschäftsmann wusste aber, dass seine Klientel sehr auf den Preis achtete. Das Ziel: Er musste den Preis unter die magische Grenze von 3.000 US-Dollar drücken. Damals viel Geld.
Insgesamt 45 Besitzer der Baureihe 356 kamen zu dem Treffen nach Zürs am Arlberg
Seine Idee: Er ersetzte die seitlichen Glasfenster durch Steckfenster aus Plastik. Die Taschen an der inneren Türverkleidung mussten ebenso weichen wie das Handschuhfach und das Radio. Seiner Meinung nach konnte die Kundschaft gut auf diese Extras verzichten. Denn in der Theorie wurde ein Speedster ohnehin nur bei Sonnenschein und offen gefahren. Und wer hört Radio, wenn der Motor brüllt und der Fahrtwind pfeift? Eine Uhr? Fehlanzeige. Schließlich vergisst man beim Fahren mit einem Porsche ja ohnehin die Zeit.
Max Hoffman witterte ein großes Geschäft und orderte eine große Anzahl der Fahrzeuge, die beim Stuttgarter Karosseriewerk Reutter gefertigt wurden. „Reutter hatte Cabrio-Hecks herumliegen, die keinen schnellen Absatz fanden. Um den großen Auftrag von Max Hoffman 1954 zu befriedigen, kamen die gerade recht“, sagt Kainer. Die Hinterteile dieser rund 200 Speedster sind zehn Zentimeter tiefer als die der späteren Modelle und auch innen anders geformt.
Das Husarenstück gelang. Der Porsche Speedster kostete 2.950 Dollar und wurde für Hoffman zum Erfolg. Stars wie James Dean und Steve McQueen gehörten zu den Käufern. Die Strahlwirkung auf den deutschen Sportwagenbauer war immens. „Vermutlich ist der 1954 Speedster eines der wichtigsten Autos in der Porsche- Geschichte“, sinniert Kainer. Auch Stuck und Bell haben sich an diesem Tag komplett in die 356er-Welt gefahren. Die Kombination aus diesem Mythos und den Alpen hat sie so fasziniert, dass beide auch beim nächsten Mal wieder dabei sein wollen.