RUF CTR Anniversary

Vogel frei

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Ein neuer Wagen, der einem vertraut vorkommt. Der CTR von RUF ist beides zugleich: eine Hommage an das Vorbild – und ein neuer Meilenstein für die Firma.
RUF CTR Anniversary
© Tobias Kindermann

Dann kommt sie doch immer wieder, die Frage, welchen 911 man für einen Umbau anliefern müsse. Alois Ruf lacht, wenn er von solchen Gesprächen erzählt. Im Grunde genommen ist es ein Kompliment. Ruf zitiert das eigene Frühwerk, den ersten CTR aus dem Jahr 1987, so gekonnt, dass man auf den ersten Blick in die Irre geführt werden kann. Mittlerweile gibt es eine Flut von sogenannten Restomods, meist Porsche 993 oder 964, die auf alt getrimmt werden. Ist das auch so einer?

Nein, der RUF CTR ist so nahe dran an seinem Vorbild, wie er gleichzeitig weit davon entfernt und ein völlig eigenständiges Fahrzeug ist. Die Linie der Karosserie zitiert den gelben Rekordwagen mit 469 PS aus dem Jahr 1987, der mit 339,8 km/h im April 1987 beim Vergleich „World’s fastest cars“ des US-Automagazins Road & Track als schnellster Seriensportwagen gemessen wurde und dort auch seinen Namen „Yellowbird“ erhielt.

Seitdem prägt dieses Auto das Image der Firma, und obwohl in Pfaffenhausen eine Fülle interessanter Fahrzeuge entstanden ist, schwebt der Yellowbird noch immer weit über allen RUF-Kreationen. Der Nachfolger CTR 2 auf 993-Basis besaß nicht den ursprünglichen rauen Charme der ersten Auflage. Mit dem CTR 3 wagte sich das Unternehmen an sein erstes eigenes Fahrzeug – mit 997-Vorderwagen, hinter dem ein Mittelmotor mit neuem Hinterwagen Platz fand, gekleidet in ein eigenständiges Design.

RUF CTR Anniversary Front
© Tobias Kindermann

ALLE 50 RUF CTR Anniversary EXEMPLARE SIND SCHON VERKAUFT

Nun folgt also der CTR 4, der aber nicht so, sondern CTR 2017 (in dem Jahr wurde der Prototyp vorgestellt) heißt ‒ oder CTR Anniversary, was eingängiger klingt. Inzwischen läuft die Serienproduktion. 50 Exemplare wird es geben, alle haben bereits einen Käufer gefunden. Der Preis liegt bei 780.000 Euro plus Mehrwertsteuer. Damit übertrifft er schon jetzt den Vorgänger CTR 3, von dem in verschiedenen Versionen bisher 29 Exemplare gebaut wurden und den es noch immer zu kaufen gibt.

Im CTR Anniversary fühlt man sich nahe am Original. Der Blick nach vorn geht über die Kotflügel bis zu den relativ steil stehenden Scheinwerfern, das Armaturenbrett erinnert an den 964. Eingekleidet ist das alles in Alcantara.
Die Fahrgastkabine ist in ihrer Passform insgesamt dem Urmodell ähnlich geblieben. Tatsächlich ist der Wagen aber in alle Richtungen gewachsen: der Radstand um 70, die Karosseriebreite um 60 mm. Unter der Carbon-Haut steckt ein komplett neues Fahrzeug: das erste, das Alois Ruf komplett selbst entwickelt hat und das fast ausschließlich aus eigenen Teilen besteht. Die Basis ist ein Kohlefaser-Monocoque mit integriertem Überrollbügel und Achsen mit Doppelquerlenkern, die über Rohrrahmen mit dem Fahrzeug verbunden sind. Auch die über ein Display fünffach verstellbaren liegenden Stoßdämpfer erinnern an Rennsporttechnik. Dazu kommt eine riesige Carbon-Bremsanlage.

RUF hatte schon immer ein Gespür dafür, das umzusetzen, was Porsche-Fans mögen, vom Werk jedoch nicht bekamen. Das war schon beim ersten CTR der Fall. Das Werk bot damals den Porsche 959 an, ein Meisterwerk des damals technisch Machbaren mit beeindruckenden Lösungen, aber im Vergleich zum CTR wirkte er weit weniger ursprünglich.
Der CTR dagegen trat als ein konsequent angeschärfter Turbo an – mit schmaler Karosse, in vielen Punkten aerodynamisch optimiert, mit rauem Charme und der klaren Botschaft an den Fahrer: Willst du schnell mit mir unterwegs sein, musst du ein guter Pilot sein.

RUF CTR Anniversary Motor
© Tobias Kindermann

RUF CTR Anniversary = 710 PS UND 880 NM

Dies hat man stets im Hinterkopf, wenn man sich in den neuen CTR setzt und zur Ausfahrt aufbricht. Im Lenkrad verbirgt sich nun immerhin ein Airbag, es gibt ABS und eine Anti-Schlupf-Regelung – das war es mit Fahrhilfen. Der 710 PS starke 3,6-Liter-Biturbo mit 880 Nm Drehmoment wird mit einem handgeschalteten Siebenganggetriebe kombiniert, dessen höchste Übersetzung als Fahrgang ausgelegt ist. Und natürlich ist der Motor zu sehen, wenn sich die Motorhaube öffnet. Eine kleine Verkleidung über der Lichtmaschine greift die Form der Luftverkleidungen hinter dem Gebläserad der alten luftgekühlten Modelle auf. Die Basis bildet noch immer das geteilte Mezger-Kurbelwellengehäuse der einstigen 911-GT3-Motoren und unzähliger Rennderivate. Und natürlich gibt es nur Heckantrieb. Damit wurde das Lastenheft traditionsbewusster Porsche-Fans umfänglich abgearbeitet.
RUF lässt die Gehäuse inzwischen in eigener Spezifikation gießen, ebenso die Zylinderköpfe – und auch auf dem Gehäuse des Getriebes findet sich ein RUF-Schriftzug. Nebenaggregate wie etwa die Servopumpe arbeiten elektrisch, um nichts von der Motorleistung zu verschenken.

Schon auf den ersten Metern macht sich das geringe Gewicht des CTR von nur 1250 Kilogramm bemerkbar. Selbst mit zwei Personen besetzt, bewegt man sich im Bereich von 2 Kilogramm pro PS. Und es ist noch einmal ein anderes Gefühl, das nicht nur zu wissen, sondern auch zu erleben. Weniger als 3,5 Sekunden vergehen von 0 auf 100 km/h, nach knapp 9 Sekunden sind 200 km/h erreicht. 362 km/h lautet die bisher ermittelte Spitzengeschwindigkeit. Da man in der Regel aber nicht immer in jenen Temporegionen unterwegs sein wird, interessiert auch eine andere Frage: Wie gibt sich der CTR bei langsamer Fahrt?

RUF CTR Anniversary
© Tobias Kindermann

EIN MOTOR MIT MANIEREN

Die Kupplung erfordert durchaus hohe Bedienkräfte, zeigt sich aber gut dosierbar. Die ersten drei Gänge sind eher kurz übersetzt. Der Motor gibt sich im normalen Fahrbetrieb angenehm elastisch und ist auch bei niedrigen Drehzahlen gut fahrbar. Es ist nicht leicht, ein Auto schnell zu machen. Ein schnelles Auto so auszulegen, dass es langsam gut fährt, ist es nicht weniger.

So macht der CTR schon auf Landstraßen Spaß, ohne dabei die Fahrerlaubnis aufs Spiel zu setzen. Aber auch wenn der Fahrgastraum an einen alten 911 erinnert, ist das Fahrgefühl ein anderes. RUF kaschiert geschickt die deutlich gewachsenen Daten von Radstand und Spur durch das gelungene Design des CTR. Tatsächlich stammen nur Windschutzscheibe und Seitenscheiben noch vom luftgekühlten 911, während die Türen unterhalb der Fenster um 30 Millimeter an Breite gewonnen haben. Die Scheinwerfer stehen weiter auseinander, Spur und Radstand sind größer. Auch die 19-Zoll-Räder sorgen dafür, dass der CTR nicht wuchtig wirkt.

Die hohe Nachfrage nach dem neuen CTR ist sicher auch auf die geschickt modifizierten Ausmaße der Urform zurückzuführen. Technisch ist nicht alles Neuland. Die Hinterachse ist verwandt mit dem CTR 3 Facelift, der Motor besitzt Bezüge zum RUF RT12.

Dennoch ist der CTR Anniversary in vielen Punkten eine Art Gegenentwurf zu modernen, digital vernetzten Fahrzeugen. Schon der erste CTR gab sich in dieser Beziehung ähnlich, der Kontrast scheint heute noch größer. „Es war immer mein Traum, einmal einen eigenen Wagen zu bauen. Nun sieht er halt ein wenig aus wie ein alter Porsche“, erklärt Alois Ruf. Doch was heißt hier „alt“? Der neue CTR besitzt viele Attribute, die Sportwagenfahrer heute noch schätzen. Manche Dinge ändern sich eben nicht.

RUF CTR Anniversary Felge
© Tobias Kindermann

RUF CTR Anniversary: AUSBLICK

50 Exemplare – und dann ist Schluss? So wird es nicht laufen. 2018 hat RUF den SCR auf dem Autosalon Genf präsentiert. Er besitzt einen vier Liter großen Saugmotor mit 510 PS und baut bei Karosserie und Fahrwerk auf dem CTR Anniversary auf. Der neue „Yellowbird“ bildet die Basis für eine Reihe neuer Modelle. Der SCR, der bei RUF mit 680.000 Euro (ohne Mehrwertsteuer) in der Liste steht, wird anders als der CTR nicht limitiert sein. Für eine Beschränkung der Stückzahl sorgt die Fertigungskapazität in Pfaffenhausen, wo etwa 30 Fahrzeuge pro Jahr fertiggestellt werden können. 85 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Der Turbo-Motor des CTR ist nicht ausgereizt, der CTR 3 Clubsport etwa holte aus 3,7 Litern Hubraum 777 PS. Auch eine Version mit Allradantrieb ist denkbar.

Der ursprüngliche SCR ist das kaum bekannte Modell der RUF-Geschichte. RUF erleichterte den SC um rund 50 Kilogramm (Gummimatten statt Teppichboden, abgespeckte Türverkleidungen, leichte Schalensitze, keine Rücksitze), verpasste ihm andere Stoßstangen, einen Zusatzölkühler und einen längeren 5. Gang. Zylinder mit 98-mm-Bohrung führten zu 3185 ccm Hubraum, in Kombination mit einer erhöhten Verdichtung lag die Leistung schließlich bei 217 PS. Der Wagen blieb ein Einzelstück, dessen Wege sich verloren.

Der Motorumbau selbst wurde ein großer Erfolg für die Firma. Alois Ruf schätzt, dass er etwa 250 Maschinen umgerüstet hat. Sie benötigten danach Superbenzin, Porsche selbst gab beim 911 erst 1981 die Normalbenzin-Philosophie auf, brachte den SC wieder auf 204 PS, doch RUF hatte im Grunde schon fünf Jahre vor der Präsentation des 911 Carrera 3.2 dessen Leistung fast vorweggenommen.

RUF CTR 2017
© RUF

Diesem ersten Einzelstück folgte 2016 ein weiteres: Auf dem Genfer Salon zeigte RUF einen neuen SCR 4.2 auf der Basis des Porsche 993. Die Vorderachse wanderte um 20 Millimeter nach vorn, die Hinterachse sogar um 50 Millimeter. Dazu kam ein 4,2-Liter-Motor mit 525 PS, basierend auf dem Antrieb des 997 GT3 RS mit 450 PS. Wenn man Alois Ruf damals auf eine Serienfertigung ansprach, gab er sich sehr zurückhaltend. Heute ist klar: Hier stand ein Fahrzeug, in dem auch Dinge erprobt wurden, die der CTR besitzen sollte – und ein neuer SCR, der kein Einzelstück bleiben wird.


Diesen Artikel mit weiteren Fotos finden Sie in Ausgabe 6-2020.
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