Porsche und Turbo – Eine Erfolgsgeschichte

Druckmittel

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Einst war der Begriff Turbo Synonym für brachiale Kraftentfaltung. Heute setzen aufgeladene Motoren in puncto Kraftstoffeffizienz und Laufkultur Maßstäbe.

Optisch ähnelt er einem Schneckenhaus, Motoren macht er aber mächtig Beine. Anfang der 1970er-Jahre setzt Porsche erstmals auf Turbolader als Mittel zur Leistungssteigerung. Bravourös besteht die Technik ihre Motorsportfeuertaufe 1972 an Bord des kraftstrotzenden 917/10. Mit dem 911 Turbo, zunächst 191 kW (260 PS) stark, gehört die Marke endgültig zum elitären Kreis der Hersteller von Hochleistungs-Sportwagen.

Dabei hat Porsche zu Beginn nur mit 500 Exemplaren der intern 930 genannten Baureihe geplant, also mit der für die Motorsport-Homologation erforderlichen Stückzahl. Die erfreulich hohe Nachfrage nach dem breitbackigen Muskelpaket mit dem wuchtigen Heckflügel bewirkt schnelles Umdenken. 1977 folgt die erste Weiterentwicklung des 911 Turbo mit einem nun von 3,0 auf 3,3 Liter erweiterten Hubraum und 220 kW (300 PS). Von kleineren Modifikationen abgesehen, bleibt der 930 bis 1988 fast unverändert im Programm. Er legt die Basis für eine Turbo-Erfolgsgeschichte, die mit der Generation 992 des 911 ihr jüngstes Kapitel aufschlägt.

Dabei gilt das Grundprinzip der Leistungsvermehrung per Turbolader bis heute: Nach der Zündung und dem Arbeitstakt entfleucht das verbrannte Gemisch mit so großem Druck über die Auslassventile in den Abgasstrang, dass es dort eine Turbine zu hohen Drehzahlen antreiben kann. Die Turbine ist über eine Welle mit einem Verdichterrad verbunden, das im Gegenzug auf der Einlassseite mehr Frischluft in den Brennraum schaufelt und damit für eine effizientere Verbrennung sorgt. So weit, so simpel.

Doch die Technologie hat ihre Tücken. Zum Beispiel die enormen Temperaturen, die der Lader erreicht: Das spiralförmige Turbinengehäuse kann sich auf gut 1.000 Grad Celsius aufheizen und muss entsprechend abgeschirmt werden – auch zur Verdichterseite hin. Denn im Idealfall soll die Ladeluft vor dem Eintritt in den Zylinder nicht mehr als 20 Grad wärmer sein als die Umgebungstemperatur. Bei einem größeren Unterschied büßt sie zu viel Dichte ein, was den Verbrennungsprozess beeinträchtigt. Auch die Ladedruckkontrolle und der Druckaufbau erweisen sich als Herausforderung.

Seit 1974 hat die Turbo-Entwicklung vor allem dank Porsche Riesensprünge gemacht. Über die Jahrzehnte entwickelt sich der Begriff Turbo in Zuffenhausen zum Synonym für Spitzentechnologie. Das jeweilige Top-Modell jeder Elfer-Generation trägt das Wort im Namen. Die Technik selbst etabliert sich als besonders effizient, abgasarm und kultiviert. Dass die Turbomotoren selbst in puncto Ansprechverhalten das Niveau viel hubraumstärkerer Saugmotoren erreichen, ist dabei die womöglich beeindruckendste Errungenschaft. Porsche gelingt die Zähmung der legendär explosiven Kraftenfaltung.

Porsche 911 Turbo (930)

Schon der Turbolader des Urahns von 1974 besitzt ein Abgas-Überdruckventil (Wastegate), wie es zuvor nur von Rennwagen bekannt ist. Mit einem maximalen Ladedruck von 0,8 bar entwickelt er 191 kW (260 PS), doch der Schub setzt bei 3.500/min fast digital ein. 1977 wartet der 221 kW (300 PS) starke Nachfolger mit einem größeren Verdichterrad sowie – damals ein weiteres Novum für Pkw – einer Ladeluftkühlung für die verdichtete Luft auf.

Bauart: Turbo

Hubraum: 3.299 cm3

Max. Ladedruck: 0,8 bar

Leistung: 300 PS

Max. Drehmoment: 412 bis 430 Nm

Porsche 959

Mit dem 1983 erstmals als Studie „Gruppe B“ auf der IAA vorgestellten 959, der drei Jahre später als Straßenversion auf den Markt kommt, zeigt Porsche das Zukunftspotenzial der Turbotechnik auf. Der allradgetriebene Supersportwagen verfügt über eine aufwendige Registeraufladung mit zwei unterschiedlich dimensionierten Turboladern. Der kleinere spricht bereits bei geringen Drehzahlen an. Hinzu kommt eine von Porsche entwickelte elektronische Ladedruckregelung. Der Vierventilmotor besitzt außerdem wassergekühlte Zylinderköpfe.

Bauart: Biturbo (in Reihe)

Hubraum: 2.850 cm3

Max. Ladedruck: 1,0 bar

Leistung: 450 PS

Max. Drehmoment: 500 Nm

Porsche 911 Turbo 3.3 (964)

Der 235 kW (320 PS) starke 911 Turbo der Generation 964 übernimmt 1991 zunächst den 3,3-Liter-Motor des Vorgängermodells. Dank aufwendiger Abgasnachbehandlung mit Dreiwege-Metallkatalysatoren und einem zusätzlichen Kat für den Bypass-Ausgang erfüllt er die nun strengeren Emissionsnormen. Hinzu kommen eine druckabhängig gesteuerte Kennfeldeinspritzung und ein um 50 Prozent größerer Ladeluftkühler. 1993 folgt eine 3,6-Liter-Version mit nun 265 kW (360 PS) bei gleichzeitig sinkendem Kraftstoffverbrauch.

Bauart: Turbo

Hubraum: 3.299 cm3

Max. Ladedruck: 0,8 bar

Leistung: 320 PS

Max. Drehmoment: 450 Nm

Porsche 911 Turbo (993)

Mit dem 1995 vorgestellten 911 Turbo der – letzten luftgekühlten – Generation 993 setzt Porsche erstmals bei einem Serienmodell auf die Kraft der zwei Lader. Diese werden aber, anders als beim 959, nicht in Reihe geschaltet, sondern arbeiten parallel. Sie versorgen je eine Zylinderbank des 3,6-Liter-Sechszylinders mit Ladeluft. Neu ist auch das im Turbo integrierte Wastegate. Dieser 911 Turbo ist das abgasärmste Auto seiner Zeit, was ab 1997 auch für den Turbo S gilt, und leistet in der Sportversion 911 GT2 bis zu 330 kW (450 PS).

Bauart: Biturbo

Hubraum: 3.600 cm3

Max. Ladedruck: 0,8 bar

Leistung: 408 PS

Max. Drehmoment: 540 Nm

Porsche 911 Turbo S (996)

Die 1997 eingeführte Generation 996 mit dem zum Modelljahr 2001 vorgestellten Turbo markiert den Neuanfang: Alle Motoren, also auch der neue 3,6-Liter-Turbo, sind nun flüssigkeitsgekühlt. Turbo und Turbo S (ab 2004) verfügen über VarioCam Plus, also die Verstellung der Einlassnockenwelle samt Ventilhubumschaltung der Einlassventile. Der Turbomotor basiert auf dem Aggregat des Le-Mans-Siegers 911 GT1 von 1998. Serie beim Turbo S: die Porsche Ceramic Composite Break (PCCB). Auf Wunsch gibt es Tiptronic S. Seine 330 kW (450 PS) verdankt der S größeren Ladern, effizienteren Ladeluftkühlern und modifizierten Katalysatoren.

Bauart: Biturbo

Hubraum: 3.600 cm3

Max. Ladedruck: 0,9 bar

Leistung: 450 PS

Max. Drehmoment: 620 Nm

Porsche 911 Turbo (997)

Der 911 Turbo der Generation 997 überrascht 2006 mit einer Weltneuheit: Porsche kombiniert einen Benziner mit sogenannten VTG-Ladern. Variable Turbinengeometrie bedeutet unterschiedliche Anstellwinkel für die Leitschaufeln. Bei geringen Drehzahlen stehen sie steiler im Abgasstrom und sprechen hierdurch früher an. Obwohl bei Dieselmotoren schon bekannt, muss das VTG-Prinzip für den Benzinmotor des 911 Turbo praktisch neu entwickelt werden. Die im Vergleich zu einem Selbstzünder viel höheren Temperaturen erfordern Materialien aus der Raumfahrt.

Bauart: Biturbo

Hubraum: 3.600 cm3

Max. Ladedruck: 1,0 bar

Leistung: 480 PS

Max. Drehmoment: 620 Nm mit Overboost-Regelung

Porsche 911 Turbo S (992)

Die Turbo-Entwicklung erreicht in der Generation 992 ihren aktuellen Höhepunkt: Der neue Motor des 911 Turbo S vereint die nunmehr unterschiedlichen, da spiegelbildlich aufgebauten und nochmals größeren VTG-Lader mit Wastegates. Vorteil dieses Novums: Nach dem Kaltstart heizen sich die Katalysatoren schneller auf, da sie über die elektronisch geregelten Bypässe direkt aufgewärmt werden. Und auch die Effizienz profitiert: Um die Verbrennung störendes Restgas im Zylinder zu reduzieren, wird bei Volllast automatisch der Abgasgegendruck gesenkt.

Bauart: Biturbo

Hubraum: 3.800 cm3

Max. Ladedruck: 1,4 bar

Leistung: 650 PS

Max. Drehmoment: 800 Nm


Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Ausgabe 394. Autor Klaus-Achim Peitzmeier, Fotograf Rafael Krötz.
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