Fahrbericht 718 Spyder RS

Aus Ausgabe 2-2024

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Zum Finale der Mittelmotor-Baureihe haut Porsche noch einmal einen raus. Der Spyder RS ist nicht nur der letzte 718 mit Verbrennungsmotor, sondern auch der erste offene, für die Straße zugelassene RS der Neuzeit. Ein Superlativ und ein denkwürdiger Schlusspunkt.
Fahrbericht Porsche 718 Spyder RS 2023

Das ist der 718 Spyder RS

Der Spyder ist der dritte seiner Art und als RS auch eine Verbeugung vor der eigenen Geschichte. Der Beweis dafür, dass die gerne mal belächelte Mittelmotor-Baureihe mehr sein kann als eine günstige Elfer-Alternative. Viel mehr! Mit dem 500 PS starken Vierliter-Saugmotor des GT3 bzw. GT3 R gehört er streng genommen sogar zur direkten Linie der berühmten 550 RS Spyder und RS 60 Spyder – auch die trugen ein Triebwerk in der Mitte, das in der Serie und im Rennsport zum Einsatz kam und zu seiner Zeit, also noch in der Pre-Turbo-Ära, das maximal Mögliche darstellte.

Einen RS auf Boxster-Basis gab es jedoch noch nie! Spyder hingegen schon einige. Der Boxster der Ur-Baureihe 986 durfte sich als Sondermodell 550 Spyder nur mit dem Namen schmücken, der Boxster Spyder des Typs 987 (2010) machte mit Leichtbau und Notverdeck erstmals ernst. Der zweite Boxster Spyder aus der Baureihe 981 (2015) spielte darüber hinaus die Karte Leistung: Mit 3,8 Litern Hubraum und 375 PS distanzierte er den 330 PS starken Boxster GTS deutlich.

Der dritte Spyder (2019) war der erste Boxster, der nach der Umstellung auf Turbomotoren wieder mit einem Saugmotor zu haben war. Der auch im Cayman GT4 verfügbare, auf dem Block des Dreiliter-Turbo des 911 basierende Vierliter-Sechszylinder leistete 420 PS und stellte bei der PS-Zahl eine neue Bestmarke auf. Dass die neue RS-Variante – wie auch das Schwestermodell Cayman GT4 RS – über den Motor des 992 GT3 verfügt, stellt den größten Unterschied zu 718 Spyder und GTS dar. Weil der Vierliter-Sauger des GT3 für den Einbau im 718 um 180 Grad gedreht werden musste und dort andere Platzverhältnisse herrschen, wurden Ansaugtrakt und Abgasanlage neu konstruiert.

Darüber hinaus ist der Spyder RS auch der leichteste Vertreter der ganzen 718-Familie: Den Spyder mit PDK unterbietet er mit 40 Kilogramm, den GT4 RS sogar noch um fünf Kilogramm. Beim Preis geben sich die beiden Hochleistungsversionen nichts, beide stehen mit 155.575 Euro ganz oben in der Modellpalette.

Das kann der 718 Spyder RS

Leistung, Agilität und Leichtbau kennzeichnen den Spyder RS. 500 PS gab es in einem Boxster noch nie! Der Vierliter-Sauger, in der 911-Modellpalette längst eine Ausnahmeerscheinung, ist die klassische Art von Motor, von dem Porsche-Fans träumen. Im Spyder RS hat ihn das Entwicklerteam aus Weissach an ein kurz übersetztes Siebengang-PDK gekoppelt: Nach 3,4 Sekunden soll die 100-km/h-Marke fallen, nach rund elf Sekunden Tempo 200 km/h erreicht sein. Spitze: 308 km/h!

Wie ein Blatt bei Sturm fegt die GT3-Maschine den nur rund 1400 Kilogramm leichten Spyder RS voran, erst bei 9000/min ist das Drehzahllimit erreicht. Wie soll ein Elektromotor so viel Emotionalität und analogen Fahrspaß erzeugen? Aber der liegt weniger in der vmax begründet, sondern vielmehr im Handling.

Mit Semi-Slicks auf wunderschönen 20-Zoll-Alu-Rädern (Magnesium-Räder gibt es gegen Aufpreis bzw. sind im Weissach-Paket enthalten) und einem Kurven vorausahnenden Fahrwerk zeigt sich der Super-Spyder von seiner idealen Seite. Glasklar und präzise einlenkend, dabei selbst auf ruppigem Belag nie überzogen hart. Einen Rest soften Cabrio-Gefühls haben die Ingenieure der Besatzung gelassen.

Porsche 718 Spyder RS 2023

Obwohl das gleiche für den Rennstreckenbetrieb einstellbare Fahrwerk mit Kugelgelenken wie im Cayman GT4 RS drunter steckt, fühlt sich der Spyder RS – ganz anders als bei der Sound-Kulisse – nie nach Rundstrecke an. Der konsequente Leichtbau gäbe das her. Porsche vergisst nicht die dünnere Auslegeware im Innenraum zu erwähnen, die ebenfalls etwas Gewicht einspart, aber wichtiger sind aus Carbon gefertigte Bauteile wie Fronthaube und Kotflügel. Die NACA-Öffnungen in der Haube dienen der Belüftung der in Umfang und Stärke gewachsenen Bremse an der Vorderachse, die Kiemen in den Kotflügeln reduzieren den Auftrieb. Platz für sinnfreie Spielereien gibt es hier nicht, nur eiskalte Reduktion auf das Wesentliche.

Ist ein Preis jenseits der 150.000-Euro-Marke angemessen? Ambitioniert ist er auf jeden Fall! Für rund 40.000 Euro mehr gibt es bereits einen 911 GT3, für über 50.000 Euro weniger einen Boxster GTS 4.0. Und selbst ein 911 Carrera S Cabrio ist noch ein paar Tausender billiger. Ein Spyder RS wird ganz sicher weder der erste noch der einzige Porsche in der Garage seines Besitzers sein.

Das kann der 718 Spyder RS nicht

Kompromissfähigkeit ist nicht die Stärke des Spyder RS, so wurde er nicht konstruiert. Erstens: Er kann nur schnell und laut und anders laut. Das liegt an den formal erstklassig integrierten Öffnungen für die Verbrennungsluft, die direkt an den Gehörgängen der Insassen liegen.

Aus dem „ungefilterten Klang“, der Musik in den Ohren aller Gasheads, wird auf der Autobahn ein lärmendes Hintergrundsägen, das der Langstreckentauglichkeit auf Dauer abträglich ist. Genauso wie der serienmäßige 54-Liter-Tank, der bei einem Verbrauch von rund 13 Litern häufige Tankstopps erfordert. Der aufpreispflichtige, nur 190 Euro teure 90-Liter-Tank schafft da Abhilfe und ist ein notwendiges Extra. Bei Aktivierung des Klappenauspuffs wird unter das Ansauggeräusch eine dunklere Note gemischt: Damit wird’s noch lauter – 500 Kilometer am Stück gehen im Spyder RS an Ohren und Nerven.

Porsche 718 Spyder RS 2023

Zweitens: Ein Spyder ist ein offenes Auto, das geschlossen gefahren werden kann. So lautet die offizielle Definition bei Porsche. Mit aufgezogenem Notverdeck und separat montiertem Windschott ist er geschlossen, ohne Windschott und bei geöffneten Fenstern halb und oben ohne ganz offen. Die letzte Stufe ist so reiz- wie sinnvoll, schon weil das System den Fahrer beim Tempo 200 daran erinnert, das hohe Geschwindigkeiten das Material übermäßig belasten. Jede Änderung einer dieser Optionen ist mit viel Fummelei an Riegeln, Spannseilen und Dachhaut verbunden, die ohne Anleitung zum Scheitern führt. Intuitiv kann der Spyder in diesem Fall nicht und für Spontanität braucht es Übung.

Drittens: Es gibt ihn nur mit PDK. Das passt zur unbedingt Performance-orientierten Ausrichtung des 718 Spyder RS, aber ein Sechsgangschaltgetriebe – wie es auch beim 911 S/T, dem Bruder im Geiste, Pflicht ist – hätte gut zum reduzierten Charakter gepasst. So viel Romantik darf sein. Eine Wahl hat der Käufer nicht, zu schade. Kein Platz für Kompromisse.

Das Fazit zum 718 Spyder RS

Der Spyder RS ist das Auto, das vor bald 30 Jahren, als die Mittelmotor-Baureihe 986 auf den Markt kam, niemand für möglich gehalten hätte. Ein Boxster-Derivat mit Rennmotor, teurer als ein 911 Cabriolet und extremer als ein GT3 – unwahrscheinlich, dass eine E-Version so viel Faszination transportieren kann. Ein Platz in der Porsche-Geschichte ist dem Spyder RS mit seiner herausgehobenen Rolle sicher, schon weil er für seine Art den Höhepunkt der Verbrennungsmotorentechnik darstellt. Auch weil er ein Typ der Superlative und Extreme ist, ein Sammlerstück mit Ansage, reduziert sich seine Daseinsberechtigung auf wenige schöne Tage im Jahr. Im wirklichen Leben reicht ein Boxster GTS 4.0 zum Glück. Aber den Spyder führt Porsche schon nicht mehr im Programm.


Dieser Artikel erschien in Ausgabe 2-2024 mit weiteren Bildern und technischen Daten.

Text: Jan-Henrik Muche · Fotos: Roman Rätzke

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